Wo beginnen? Mit der federnden Eleganz, mit der Juan Diego Flórez die Cabaletta „Odio solo“ des Jacopo aus Verdis „I due Foscari“ singt? Ein Stück, das solche Anforderungen an die Flexibilität und Höhensicherheit der Stimme stellt, dass viele Tenöre diese Passage lieber gleich weglassen (müssen)? Oder mit den herrlichen Linien, die er beim Pollione aus Bellinis „Norma“ zeichnet, um gleich im Anschluss vokale Raketen abzufeuern? Oder mit der Süße und Pianokultur, mit der er Werthers sinnierendes Erwachen in Massenets gleichnamiger Oper hauchfein darstellt? Oder vielleicht mit der Schlichtheit, mit der er Nemorinos „Una furtiva lagrima“ ganz unlarmoyant darstellt, oder der reich schattierten, mit südländischem Lächeln versehenen Porträtskizze des Rodolfo aus „La Bohème“, wo er auch mit gestochen scharfer Attacke und brillanter, weil müheloser Höhe begeistert?

Das Wort Stimmwunder wird ja oft missbraucht, doch beim in Peru geborenen Tenor ist es am richtigen Platz. In seinem von der Pianistin Cécile Restier begleiteten Arien- und Liederabend zeigte Flórez, in welchem Repertoire er daheim ist: als lyrischer Belcantist mit stupender Technik und fulminanten Höhen bei Bellini, Rossini und frühem Verdi und als Klangpoet bei Massenet und in den leichteren Puccini-Partien. Dazu gab es Abwegigeres, etwa zwei Beethoven-Lieder, in denen Flórez genauso überzeugt wie in Liedern von Richard Strauss, in denen die schlanke Silberstimme die luxurierenden Klänge kontrastiert.

Es gibt naturgemäß auch Grenzen an beiden Enden des Fachs, in dem sich Flórez bewegt: Ein echter Tenore di grazia wie Raúl Giménez singt die Koloraturen in Rossinis „Quell’alme pupille“ noch feiner und süßer, und ein Zwischenfachtenor gibt Puccinis Kalaf viel mehr vokale Fülle und damit Präsenz.

Genialisch wie immer der Crooner-Abschnitt mit südamerikanischen Liedern: Demonstrationen von Technik, die jeglichen Gedanken an Technik verschwinden lassen. Technik, die – wie auch bei Flórez’ klassischem Repertoire – die Tiefe von Kunst erst hörbar macht.