Wir werden uns bemühen, die nächsten Zeilen ohne das Wort Corona auszukommen. Wenngleich es gerade das Virus war, das die Stunde der Nachbarschaftskonzerte schlagen ließ. Jener Konzertreihe, die in den letzten sieben Jahren ohnehin schon viele Konventionen der Konzertpraxis gebrochen und sich als kultureller Nahversorger viele Sympathien und ein neues Publikum erworben hat.

Fürwahr, „die haus.kultur ist genau in dem Moment gelandet“, weiß auch Erich Oskar Hütter, der sich mit diesem Format heuer besonders berufen sehen darf, zumal „das genau unser Projekt und unser Inhalt ist“. Vom klassischen Festivalformat ist dieser rührige musikalische Parcours an der Peripherie des Establishments nicht nur seit Anfang an meilenweit entfernt, er ist wohl der Antipode zur im Moment ohnehin gebeutelten Konzertsaal-Fasson.

„Gerade in Zeiten wie diesen“ sieht der begeisterungsfähige Impresario „es als Auftrag, den Menschen den Spirit, die Nähe und die Energie der Musik quasi nach Hause zu liefern“. Immerhin ist dieses Konzept auch innovativ und mutig genug, dem Komplex von Isolation, Einsamkeit und Berührungsängsten vieler Menschen entgegenzuwirken. Dafür brauche er eigentlich gar nicht so sehr die medialen Gewitter und die großflächige öffentliche Wahrnehmung, wie sie konventionelle Festivals forcieren, sondern „die Message der Nachbarschaftskonzerte soll nach außen getragen werden“, denn das sind „Konzerte für Menschen in einer Nachbarschaft, die wir einladen wollen und zu denen Gäste von außen dazustoßen sollen“.

Die Bühnen der Haus.Kultur sind auch heuer wieder so ungewöhnlich wie handverlesen. Bisweilen werden diese aber auch recht herausfordernd für die namhaften Musiker sein, die zumeist einen klassischen Background den ihren nennen: etwa ein Beethoven-Klavierabend in einer Tiefgarage, Bach und Lyrik in einer ÖBB-Montagehalle, Tango in einem Gewerbepark und viele musikalische Zeitreisen in ganz unterschiedlichen Innenhöfen Grazer Siedlungen. Dagegen nimmt sich Weltmusikalisches im Hof des Volkskundemuseums schon eher systemimmanent aus.

Und wo andere Festivals mit den Namen von Musikern hausieren gehen, machen bei der Haus.Kultur klangvolle Titel und Slogans die Ohren wässrig. Von „Morgenrot“ bis „Lammfromm“, von „Klangzauberei & Hexentanz“ bis „Tango Furioso“ wecken sie Neugier auf die musikalische Umsetzung.

Als Keimzelle dieses illustren Parcours durch die Nachbarschaften darf man aber wohl die „Salonkonzerte“ betrachten. Diese nehmen die Kammermusik wörtlich und kommen ins Haus ausgewählter Siedlungen der Wohnbaugruppe Ennstal. Wobei alle Attribute unmittelbarer Musik zum Blühen kommen: intim, atmosphärisch, analog, unplugged und direkt. Oder: Schöner wohnen mit hautnaher Live-Musik.

„Das braucht aber auch Vertrauen von der anderen Seite“, weiß Hütter, der freilich auch als virtuoser Cellist mehrfach zugange sein wird. Nicht aber ohne einzuräumen, „vielleicht auch ein Utopist“ zu sein.