Laut Regierungsverordnung darf es nun also bis 30. Juni keine Veranstaltungen geben. Was bedeutet das für Ihr Festival styriarte, das ab 19. Juni unter dem Motto „Geschenke der Nacht“ hätte losgehen sollen?
MATHIS HUBER: Unsere styriarte kann natürlich nicht so stattfinden wie angekündigt. Aber: Bundeskanzler Kurz hat ja mit Ende April einen neuen Fahrplan avisiert. Sollte der nicht schlechter sein als der jetzige, möchten wir voll einsteigen mit unseren Plänen, wie die styriarte anders aussehen könnte. Wir wollen jedenfalls versuchen, jedes Projekt zu retten und neue Formate für die Programme zu finden. Das muss freilich heißen, dass keine 1000 Menschen in einem Raum sitzen werden. Die Vorschriften werden als Rahmenbedingungen selbstverständlich gelten, und es hätte auch so keinen Sinn, unser Festival in Zeiten wie diesen konventionell am Leben zu erhalten.
Und wie unkonventionell?
MATHIS HUBER: Absagen, absagen, absagen! Das ist unter unserem Niveau. Die Antwort auf diese Ausnahmesituation muss doch sein, dass wir unter den vorzufindenden Bedingungen adäquate kreative Ideen haben. Wir stecken momentan allerdings noch zu sehr im Nebel, um Konkretes sagen zu können. Da gibt es höchstens Keimlinge, die unter der Erde stecken, es ist noch keine Pflanze zu sehen, sage ich als Bauer.
Zu Absagen waren Sie dennoch schon gezwungen.
Ja, die restliche Saison des Orchesters recreation und dessen Barockreihe mussten wir unter den Gegebenheiten abbrechen. Eine Verschiebung der programmierten Konzerte in die nächste Saison ist nicht vorgesehen, da diese schon fertig geplant ist, aber eine Wiederaufnahme der Programm-Ideen in der übernächsten Saison wird fallweise möglich sein. Die Präsentation des Programms für die kommende Spielzeit planen wir für den Mai.
Was heißt das finanziell für Sie?
MATHIS HUBER: Dass alles aus den Fugen gerät, ist für Künstlerinnen und Künstler wie für Veranstalter ein Desaster, auch ein ökonomisches. Da tut es gut zu sehen, dass sich Stadt, Land und Bund generös zeigen, indem sie das mit Fortzahlungen, Zuschüssen oder Modellen der Kurzarbeit abfedern. Das ist ein hoher zivilisatorischer Akt, das muss man schon auch einmal sagen.
Wie arbeiten Sie und Ihr Team im Moment?
MATHIS HUBER: Alle sitzen noch daheim in ihren Studierstuben, und es geht etwas langsam dahin. Unsere neuen Büros bestehen wie bei vielen anderen auch aus Telefon, Computer und Internetverbindung. Wir halten noch keine Videokonferenzen, schließlich arbeiten wir ja nicht an einem Raumfahrtprojekt.
Wie durchtauchen Sie die Misere mit digitalen Angeboten?
MATHIS HUBER: Vom Osterfestival Psalm, das diese Woche wieder laufen sollte, haben wir in der Not eine Superrumpfversion im Netz erstellt: Auf unserem Blog bringen wir unter dem Titel „Psalm 2020 – for Future: Please Hold the Line“ zehnminütige Häppchen zum Programm, das wir ja schon auf 2021 verschieben mussten. Wir wollen verstärkt Kreative einladen, aus dieser Zwangssituation etwas Originelles zu machen. Zum Beispiel Komponisten. Die haben meiner Meinung nach die Chance des Jahrhunderts, nicht das zu tun, was man seit Ewigkeiten halt so tut, sondern auf ganz andere Art zum Publikum zu finden in dieser seltsamen Situation. Wir haben übrigens seit ein paar Tagen ein fertiggestelltes Werk eines renommierten österreichischen Komponisten, das wir kommende Woche präsentieren wollen, und das funktioniert voll im Internet. Aber Kulturereignisse leben grundsätzlich immer auch von echten Begegnungen. Und zu denen soll es wieder kommen. Darum ist Kultur im digitalen Raum nicht das, was ich mir für die styriarte vorstelle.
Was dann?
MATHIS HUBER: Es tun sich so viele Chancen auf, wie wir gar nicht nachkommen zu ergreifen. Es wird toll, an das glaube ich, dazu brauche ich nicht zu fabulieren oder mir etwas einzureden. Das ist doch die Haltung der Kunst. Wir sind nicht angehalten zu jammern. Ob in Hochzeiten, Trauerzeiten oder Krisen, die Kunst – und die Musik im Speziellen – findet immer Antworten darauf. Und uns im Hause styriarte wird schon noch was einfallen, was das Leben lustig hält, das brauchen wir ja alles derzeit ganz dringend.
Wie geht es Ihnen eigentlich persönlich?
MATHIS HUBER: Gut. Ich sehe gerade hinaus auf jemanden, der bestimmt der neue Medienstar von Psalm gewesen wäre. Ein Lämmchen, das bei der Auftaktproduktion „Laudes Palmarum“ am Palmsonntag hätte mitwirken sollen. Ich habe es aus gegebenem Anlass auf den Namen „Corona“ getauft. Ich habe ja 20 Schafe im Stall. Hören Sie sie ...? (via Handy bäht es lautstark im Hintergrund) ... die rufen gerade, denn es ist Essenszeit, also bringe ich ihnen jetzt Heu; Gras gibt’s ja noch nicht.
Michael Tschida