Er war ein Stiller. Er war ein uneitler Virtuose. Er hatte verschmitzten Humor. Er war ein Großer, als Musiker wie als Mensch. Nun heißt es Abschied nehmen von ihm, von Emanuel Amtmann: Der Grazer Domorganist, der 40 Jahre lang auch als Pädagoge an der Kunstuniversität und in zig Konzerten das kirchenmusikalische Geschehen nicht nur in Graz intensiv und für lange Zeit prägte, ist im Alter von 79 Jahren verstorben. Bis zuletzt konzertierend und immer unterwegs mit der ihm zustehenden Autonummer „G ORGEL 1“, war er ein Leidenschaftler „mit Herz und Mund und Tat und Leben“, wie es in einer Bach-Kantate heißt, die mit dem schlichten Choral „Jesu bleibet meine Freude“ schließt. Schöner Trostsatz für einen treuen Diener der himmlischen Musik.

Nicht Bach, Meer sollt er heißen!", schwärmte einst Ludwig van über Johann Sebastian. So gesehen, hätte in Emanuel Amtmanns Taufschein ruhig "Emanual" stehen können. Denn schon Großvater und Vater waren Organisten gewesen. Und er selbst war Ewigkeiten mit Manualen und Pedalen auf Du und Du. Sagenhafte 40 Jahren lang war der Dom zu Graz sein fixes "Arbeitszimmer", "das schönste, das man haben kann".

Ende 2008 hatte der Domorganist den Schlussakkord geschlagen, aber wie es sich für einen Musiker mit Raffinesse gehörte, nur als Trugschluss, denn Amtmann blieb auch fürderhin musikalisch hoch aktiv. Seine schöne Zukunftsperspektive für den Unruhestand damals, als wir ihn zu seiner Pensionierung interviewten: "Ich kann, aber ich muss nicht". Zum Beispiel jeden Wochentag für Frühmessen um 5.30 Uhr aufstehen.

1968 hatte Amtmann seine Elisabeth geheiratet, die ihren Mann stets mit einer Geliebten teilen musste - mit Cäcilia, Patronin der Kirchenmusik. Aber das fiel ihr als Sopranistin durchaus leicht. Ebenfalls 1968 wurde er zum Domorganisten gekürt. Ein echter 68er also? Amtmann schmunzelte. "Ja, ein wilder Hund", schmunzelte damals bei Gespräch Josef M. Doeller mit. Der vormalige Domkapellmeister durfte wie seine Vorgänger Sternstunden mit Amtmann erleben, wenn dieser im wörtlichen und übertragenen Sinn alle Register zog. Wer jemals mit dem gebürtigen Möderbrugger konzertierte, genoss jedenfalls dessen wie selbstverständliche Virtuosität und das Temperamente-Amalgam aus Leidenschaft und Gelassenheit.

Hinter der oft ernsten Maske des Musikers steckte immer viel verschmitzter Humor. Das wusste zum Beispiel auch Gottfried Lafer, der den unermüdlichen Einsatz seines Organisten ebenso schätzte wie "den Spitzbuben", wie er ihn gern nannte. Und der seinerzeitige Dompfarrer konnte mitlachen, wenn Amtmann zum Beispiel erzählte, wie er bei einer Neujahrsmesse am Orgeltisch eingenickt und erst aufgewacht war, als Priester und Gemeinde schon längst ausgezogen waren. Oder von seinen Improvisationen, in die er gern Kinderlieder hineinschummelte: Rund um Martini zum Beispiel "Fuchs, du hast die Gans gestohlen". Oder bei einer Trauung im Vorjahr in der Oststeiermark, da ließ er, als sich die Braut verspätete, im Einzugsstück der immer unruhiger werdenden Hochzeitsgesellschaft den "Kuckuck, Kuckuck" nicht aus dem Wald, sondern von der Empore aus zurufen.

Während im Grazer Dom drunten vor dem Altar die Priester gepredigt hatten, hatte sich Amtmann durchaus einmal im Aufnahmekammerl bei der Chorstiege einen TV-Blick auf den Slalom in Kitzbühel gegönnt oder draußen vorm Domtor ein Zigaretterl. 1993 hörte er allerdings zu rauchen auf und sparte sich so "einen schönen Weinkeller" zusammen. Und, was (tatsächlich) viel mehr wiegt, vier Glocken für das Mausoleum, die er 2005 der Kirche spendete - "als Dank für das Glück, das ich mit meiner Familie, meinen Studenten und mit meiner Gesundheit hatte".

es - f - g - b - c tönt es hell in der Oktave zum Domgeläut. So konnte man auch nach der Pensionierung täglich etwas von "Emanual" hören. Und so können wir es auch jetzt und weiterhin hören, nachdem er gegangen ist. Feiner Nachklang von einem feinen Menschen.