Festspielpräsident Hans Peter Haselsteiner machte wenig Umschweife und richtete einen Appell an sein Publikum: Widerstand gegen nationalistische Kräfte in Europa zu leisten. "Ich bitte Sie, dass Sie das heute von Erl aus tun und sonst immer, wenn Sie dazu Gelegenheit haben." Er verwies darauf, dass Widerstand auch in der Vergangenheit "maßgeblich von Kulturschaffenden getragen wurde". Nur würden Künstler in Europa, beispielsweise in Italien, Polen und Ungarn diskriminiert, unterdrückt oder nicht mehr geduldet, ärgerte sich Haselsteiner. Der Protest aus anderen EU-Ländern sei "nicht laut, bestimmt, entschlossen genug".

Er verwies auf das "europäische Profil der Festspiele", denn Künstler aus allen 28 EU-Mitgliedstaaten wurden bereits in Erl engagiert. Diese würden auch in ihren Heimatstaaten die "Vision eines geeinten Europa hochhalten. Wir haben keine vernünftige Alternative". Bei seiner Begrüßung kam er auch auf die Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Österreich, unweit von Erl, zu sprechen: "Schande, Schande über die Grenzkontrollen wenige Kilometer von hier. Nicht unsere Sicherheit, sondern unsere Freiheit ist in Gefahr."

Bundespräsident Van der Bellen reagierte prompt auf die Worte Haselsteiners. "Sie haben mich provoziert - Ach Europa! Aber look at the bright side!", versuchte Van der Bellen mit Humor dem Festspielpräsidenten Mut zuzusprechen. Die Slowakei oder Rumänien etwa hätten entgegen den Erwartungen einen Kurswechsel vollzogen. Und seit dem Brexit spreche "nicht mal mehr Le Pen (Chefin der französischen Partei Rassemblement National, frühere Front National , Anm.) von der Zerstörung der Union. Die traut sich nicht mehr". Wenn man sich das politische System der EU ansehe, "ist es ein Wunder, dass die EU überhaupt existiert und im Rest der Welt wird das auch so gesehen, glaube ich."

Wie schnell sich jedoch in der Politik etwas ändern könne, habe der Ibiza-Skandal in Österreich gezeigt, erinnerte der Bundespräsident. In seiner Rede reflektierte er diese Zeit des jüngsten politischen Umbruchs in Österreich und lobte dabei einmal mehr die österreichische Verfassung. "Es war beeindruckend am eigenen Leib zu verspüren, dass es kein Ereignis gibt, für das die Väter der Bundesverfassung nicht vorgedacht hätten." Die vielen noch nie vorgekommenen Ereignisse hätten das Amt des Bundespräsidenten interessant gemacht, meinte er augenzwinkernd.

Mehr auf die Festspiele Erl an sich ging dagegen Kulturlandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) ein, die in Vertretung von Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) Grußworte an das Publikum richtete. Die Festspiele seien "mehr als ein Event, an dem Programm und Künstler beliebig austauschbar sind". Doch nicht immer sei alles rund gelaufen, man sei auch "durch einige Krisen gegangen". Etwa nach der Wirtschaftskrise im Jahr 2009, als Haselsteiner das Land Tirol um Unterstützung bat.

Das Land Tirol habe sich damals dazu bekannt und würde das "auch in der Krise der Festspiele, die wir in den letzten beiden Jahren erlebt haben", tun. Am Ende würde jedoch das Publikum über die Zukunft der Festspiele entscheiden. Ebenjenes zeigte sich bei der Eröffnung begeistert von Daniel Schnyders, eigens für den Anlass komponiertem und uraufgeführtem Stück "Konzert für Saxofonquartett und Orchester". Das SIGNUM saxophone quartet, bestehend aus vier jungen Musikern, stand dabei im Mittelpunkt.

Zwei energisch wie hoffnungsvolle Stücke eines Komponisten zeitgenössischer Musik, John Adams, umrahmten feierlich den Festakt. Zudem wurde als Höhepunkt des Abends Bela Bartoks "Konzert für Orchester" von Tito Ceccherini dirigiert. Der Start in die Sommersaison erfolgte am Donnerstag zum ersten Mal ohne den infolge von Vorwürfen sexueller Übergriffe abgegangenen Gustav Kuhn. Die künstlerische Leitung übernahm interimistisch sein Stellvertreter, Andreas Leisner. Am Programm stehen neben Konzerten noch die Opern "Aida", "Die Vögel" und "Guillaume Tell".