Herr Beczala, Sie singen ganz Verschiedenes, in Graz sind Sie bei einer Belcanto-Gala Gast, Sie singen aber auch Operette, Wagner, Puccini, französische Opern, Lieder. Ist es schwierig, die Stimme so vielfältig einzusetzen?
PIOTR BECZALA: Das ist schon recht kompliziert, klar. Aber es freut mich, so viel unterschiedliche Sachen zu singen, weil das die Stimme zur Flexibilität zwingt. Man singt sich nicht in einem Repertoire fest. Und ich mache das auch mit Absicht.

Hätten Sie sonst auch die Befürchtung, auf einen speziellen Typus festgelegt zu werden?
Sicher, ich habe ganz früh dagegen angekämpft als „slawischer Tenor“ klassifiziert zu werden, später gegen die Bezeichnung „Mozarttenor“. Als ich Wagner in Betracht gezogen habe, gab es die Gefahr, dass plötzlich viel zu viel Wagner auf meinem Terminplan steht. Man muss sehr gut aufpassen, dass man nicht in eine Schublade kommt.

Ist es ein Problem, dass Sänger ihre Stimme zu früh mit zu schweren Dingen belasten müssen?
Das müssen sie gar nicht, das ist eine Frage der eigenen Entscheidung. Wenn man sich ein gewisses Niveau erarbeitet, dann hat man die Möglichkeit, das zu steuern. Wenn ich ein Angebot für einen Tristan oder Otello bekäme, und ich wäre unvorsichtig genug, es anzunehmen, muss ich mir überlegen, was ist danach mit der Stimme? Die Karriere ist eine lange Entwicklung, würde ich Ja zu einem Tristan sagen, würde ich mich selbst dieser Entwicklung berauben.

Verzicht ist eine der wichtigsten Übungen des Sängers?
Nein ist das wichtigste Wort im Lauf des Sängerlebens.

Und ist Ihnen schon ein Otello angeboten worden?
Indirekt, nicht offiziell.

Und bei der Vielfalt, gibt es etwas, was Sie am liebsten singen?
Ich singe nur das, was mir richtig Spaß macht. Aber das verändert sich. Ich habe früher gern Massenets Roméo und Des Grieux gesungen, die nicht mehr auf dem Plan stehen. Es kommen halt andere Sachen, die mir wieder viel Spaß machen. Ohne Spaß ist der Beruf sinnlos.

Ich persönlich empfinde Ihre Stimme als den frischesten, gesündesten und natürlichsten Operntenor der Gegenwart. Was ist Ihr Geheimnis?
Eine gute Technik ist Voraussetzung. Aber ich habe mir die Worte von Alfredo Kraus eingeprägt, der sagte, dass er nur einmal alle fünf Tage auftritt. Das kann man sich heute nicht mehr erlauben, aber zwei, drei Tage zwischen Vorstellungen sind schon gesund. Und selbst wenn es hin und wieder nur ein Tag ist, man darf halt nicht zu viel reden. Ich versuche, mich nicht zu verheizen, auch nicht nach der Vorstellung. Das ist das, was man selbst beitragen kann.

Wobei jemand wie Alfredo Kraus ja ein extrem schmales Repertoire hatte.
Ja, der hat nur zehn verschiedene Rollen gesungen, das war sein Weg, mein Weg ist ein anderer. Aber ich versuche, mir solche Weisheiten solcher alten Sänger anzueignen. Man darf sich nicht jeden Tag verbrüllen. Und man muss schlafen! Das ist das Einzige, was die Stimme regeneriert. Fünf Stunden Schlaf – das kann sich vielleicht ein Philosoph oder Mathematiker leisten. Ein Sänger muss schlafen!

Empfinden Sie diese Disziplin auch als Belastung?
Mittlerweile nicht mehr. Ich habe gelernt, damit umzugehen. Es ist schon eine Herausforderung, so diszipliniert zu sein.

Aber das muss man im Lauf der Karriere lernen?
In der Jugend hat man viel Kraft und Enthusiasmus, man kann sich da erlauben, dumm zu sein. Ich stehe jetzt 27 Jahre auf der Bühne, da braucht man ein System. Man lernt auch viel von den Fehlern der anderen.

Hören Sie viel Platten mit Tenören zum Vergleich?
Die Kollegen, die ich anhöre, sind meist schon längst beim heiligen Petrus. Ich liebe diese alten Aufnahmen aus der Vorkriegszeit. Die von Tito Schipa etwa, ein Vorbild, nicht nur für Luciano Pavarotti.

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