Seine Cancan-Musik aus "Orpheus in der Unterwelt" oder seine Barcarole aus "Hoffmanns Erzählungen" ist praktisch jedem geläufig. Doch Jacques Offenbach hat weitaus mehr geschaffen. Der Nachwelt hat der deutsch-französische Komponist mehr als 100 Bühnenstücke und über 600 konzertante Aufführungen hinterlassen. Der virtuose Cellist war einer der produktivsten Musiktheatraliker des 19. Jahrhunderts.

Zum 200. Geburtstag am 20. Juni soll der Begründer der modernen Operette, der 1819 in Köln als Jakob geboren und in Paris am 5. Oktober 1880 als Jacques gestorben ist, vielerorts nun neu entdeckt werden. "Seinen Namen kennt jeder, nicht aber sein Wirken und sein Leben", sagt Alexandre Dratwicki, der künstlerische Leiter des Zentrums für französische Musik der Romantik Palazzetto Bru Zane. Erklärtes Ziel der Einrichtung ist es, die vielfältige französische Musik zwischen 1780 und 1920 wieder zu entdecken und in der Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Aus diesem Grund widmet das Musikzentrum mit Sitz in Venedig dem Musiker mit rheinischem Humor und französischem Esprit zu seinem Jubiläum ihr 7. Festival Palazzetto Bru Zane in Paris. Es eröffnete Anfang Juni mit "Meister Peronilla" im Pariser Theatre des Champs-Elysees und endet am 30. Juni mit "Madame Favart". Beides sind weitgehend unbekannte Werke, die Offenbach am Ende seines Lebens in Paris verfasst hat, wo er kurz nach seiner Ankunft im Jahr 1833 zu Jacques wurde und Karriere machte. Er habe den Esprit der Franzosen verstanden, erklärt der 42-jährige Musikwissenschafter Dratwicki den damaligen Erfolg Offenbachs jenseits des Rheins.

Das Jubiläumsjahr in Österreich

Auch in Österreich würdigt man den Komponisten in seinem Jubiläumsjahr. So hat in der Regie von Barrie Kosky am 14. August bei den Salzburger Festspielen sein Klassiker "Orphee aux enfers" (Orpheus in der Unterwelt) Premiere, während die Wiener Volksoper am 23. November mit der Rarität "König Karotte" nachzieht. Bei den Lehrar-Festival in Bad Ischl gibt es ab 20. Juli "Pariser Leben" und im Stadttheater Baden war zuletzt die Preziose "Salon Pitzelberger" zu sehen.

Geboren wurde Offenbach als Sohn des Komponisten und Dichters Isaac Offenbach. Sein Vater, Kantor einer jüdischen Gemeinde, reiste mit dem 14-Jährigen 1833 nach Paris, um ihm eine bessere Musikausbildung zu ermöglichen. Nur zwei Jahre später begann Jacques bei der Opera Comique als Cellist, ein Jahr später komponierte er bereits kleinere Romanzen und Salonstücke.

Im Jahr 1855 eröffnete er in der französischen Metropole dann mit dem Theatre des Bouffes Parisiens sein eigenes Schauspielhaus. Dort feierte er überwältigende Erfolge, darunter auch "Orpheus in der Unterwelt". Der Zweiakter machte ihn in ganz Europa bekannt. Zum Gassenhauer wurde der daraus stammende Höllen-Cancan.

Mehr als Cancan-Tanzmusik

Auch die Kölner Offenbach-Gesellschaft will den Komponisten mit ihrem Jubiläumsprogramm wieder stärker ins Bewusstsein rufen. Selbst in seiner Geburtsstadt werde der Deutsch-Franzose nicht entsprechend gewürdigt, meint Claudia Hessel, die das Offenbach-Jahr koordiniert. Man wolle zeigen, dass er mehr konnte als Cancan-Tanzmusik komponieren. Auf dem Festivalprogramm stehen im Juni etwa die Einakter "Die Insel Tulipatan" und "Herr Blumenkohl gibt sich die Ehre".

In seinen schwungvollen und eingängigen Melodien nahm Offenbach respektlos mit viel Satire und Zynismus die Herrschenden ins Visier. Denn das Publikum sollte lachen, wie er sagte, jedoch nicht über Belanglosigkeiten. Mit Ausbruch des Deutsch-Französischen Kriegs im Jahr 1870 begann sein Stern jedoch zu sinken. In Frankreich wurde er als Spion des Staatsmannes und Reichskanzlers Otto von Bismarck beschimpft - und in Deutschland als Vaterlandsverräter.

Laut Experten gibt es mehrere Gründe dafür, warum heute nur knapp ein Viertel der Werke von Offenbach bekannt sind. Viele Häuser hätten das unterhaltsame Musiktheater auf ein bis zwei Produktionen pro Spielzeit begrenzt und begnügten sich meist mit den bekannten Werken, meint Dratwicki. Andere wiederum glaubten, dass Offenbachs Musik, im Gegensatz zu der seines Zeitgenossen Richard Wagner, zu sehr auf seine Zeit abgestimmt sei, als dass sie ins Heute übertragen werden könne, ohne belanglos zu wirken.

Elisabeth Schmierer gehört zu jenen, die in Offenbach einen einzigartigen Erfinder eines auf gesellschaftspolitische Aktualität reagierenden Musiktheaters sehen. Mit ihrem 2009 erschienenen Buch "Jacques Offenbach und seine Zeit" machte sich die deutsche Musikwissenschafterin bereits für eine Wiederentdeckung Offenbachs stark.