Am Mittwoch dirigierte sie eine Gala in der Lemberger Oper. Und tags darauf machte sie Verwandtenbesuche daheim in Brody. Aber da dürfte es nicht nur Familiengespräche gegeben haben, obwohl ihr Entschluss bestimmt schon länger feststand: Oksana Lyniv wird die Oper Graz 2020 verlassen.

2017 hatte die Ukrainerin das Chefpult vom nach Bonn abgewanderten Dirk Kaftan übernommen. Mit einem Vertrag, der zunächst bis 2020 gelten sollte. Gestern gaben sie und die Oper Graz bekannt, dass sie nicht verlängern und nach nur drei Spielzeiten bereits wieder Abschied nehmen wird.

Die 40-Jährige ist dem Haus und seiner Intendantin Nora Schmid dankbar, „dass ich hier mein Wirken als Dirigentin weiterentwickeln konnte. Dass diese Arbeit so schnell eine solche internationale Ausstrahlung gewinnt, liegt auch an der Qualität des Orchesters und dem hohen künstlerischen Anspruch der Oper Graz.“

Die Verpflichtungen einer Chefdirigentin ließen sich mit ihren vielen zusätzlichen Engagements – im Jänner etwa fünf Vorstellungen von Tschaikowskys „Pique Dame“ in Stuttgart, im März die Premiere von Tschaikowskys „Jungfrau von Orleans“ im Theater an der Wien, aber auch zahlreiche Konzerte – nur sehr eingeschränkt vereinbaren. Daher wolle sie künftig freischaffend tätig sein. Bis dahin freue sie sich aber noch auf die Herausforderungen in Graz: Nach „Cavalleria rusticana & Pagliacci“ und der „Salome“ von Strauss warten in der Saison etwa noch Webers (konzertanter) „Oberon“ und Puccinis „Tosca“.

Immer wieder tauchen Gerüchte auf, die Chemie zwischen Lyniv und den Grazer Philharmonikern stimme nicht. Ob dies den Entschluss für den Weggang beschleunigte, lässt sich nicht sagen. Fest steht aber, dass die ehrgeizige, akkurate, oft streng wirkende Frau am Chefpult – die erste überhaupt in Graz – mit Feuer, Eifer, Gespür und Tiefgang bisher schon viele Glanzpunkte gesetzt hat.

Was im September im deutschen Wochenmagazin „Die Zeit“ in einer Reportage über Lyniv fast wie ein Omen stand, gilt für viele: „Da schwingt leise mit: Graz ist nicht für die Ewigkeit. Graz ist ein Sprungbrett“. Was Intendantin Schmid mit ihrer Reaktion bestätigte: „Oksana Lynivs Entwicklung ist ein Beweis für die Strahlkraft der Oper Graz: Es ist nicht das erste Mal, dass Karrieren bei uns einen entscheidenden Impuls erfahren. Ich freue mich für sie, dass sich ihr solche Chancen eröffnen.

Der neue Chefdirigent Roland Kluttig, der übrigens im Frühjahr  mit einer Neuproduktion von Karol Szymanowkis „Król Roger“ an die Grazer Oper zurückkehrt
Der neue Chefdirigent Roland Kluttig, der übrigens im Frühjahr mit einer Neuproduktion von Karol Szymanowkis „Król Roger“ an die Grazer Oper zurückkehrt © Lichtschein

Schmid nannte gestern auch gleich Lynivs Nachfolger: Ab der Saison 2020/21 wird Roland Kluttig für zumindest drei Spielzeiten neuer Chefdirigent: „Er gab letzte Saison mit ,Ariane et Barbe-Bleue’ von Paul Dukas einen wunderbaren Einstand als Gast, und ich bin glücklich, dass wir ihn für diese Position gewinnen konnten.“ Für den 50-jährigen Sachsen, derzeit Generalmusikdirektor am Landestheater Coburg, war dieses erste Aufeinandertreffen „in jeder Hinsicht beglückend und erfolgreich. Die Arbeit künftig noch weiter intensivieren zu können, ist für mich eine große Herausforderung und Freude.“

Kluttig, der unter anderem auch in Frankfurt, Hamburg, Nizza oder Leipzig Musiktheaterproduktion dirigierte und mit der Stuttgarter „Salome“ in der Inszenierung des (nun schon seit mehr als einem Jahr inhaftierten) Russen Kirill Serebrennikov für Furore sorgte, wird übrigens an der Grazer Oper „Król Roger“ von Karol Szymanowski leiten, die am 14. Februar Premiere feiert.