Der Fall von Troja samt der Sache mit dem Pferd. Die Flucht der Besiegten nach Karthago und die tragische Liebesgeschichte von Aeneas und Dido. Und dann auch noch die Gründung Roms. Das ist Mythenstoff für mehrere Opern, und Hector Berlioz benötigte auch vier Stunden Musik, um all das zu schildern. Erst 100 Jahre nach dem Tod des Komponisten hat sein Opus summum in nicht entstellter Form einen Weg auf die Opernbühne gefunden. 1969 in Glasgow und London, 1976 kamen „Les Troyens“ erstmals in Wien heraus.

Nach 42 Jahren leuchtet die Staatsoper nun wieder im Besitzerstolz: Man zeigt die aufwendige Grand opéra, finanziell verkraftbar auch deshalb, weil Mailand, San Francisco und London (dort schon war 2012 Premiere) mit an Bord gingen.

Die Inszenierung von David McVicar hat also an vier Orten die durchaus unterschiedlichen ästhetischen Erwartungen zu erfüllen. Der 52-jährige Schotte löst das Problem, indem er ihm ausweicht. Die äußerliche Opulenz seiner Inszenierung steht in keinem Verhältnis zu ihrem inneren Gehalt. Der Regisseur belässt es beim Arrangement vom Blatt. Weder interessiert er sich besonders für das pessimistische Weltbild, das Berlioz kreierte, indem er unter anderem den Mythos einer Staatsgründung auf Verrat und Täuschung fußen lässt. Noch weiß er viel mit der musikalischen Welt der „Trojaner“ anzufangen, mit ihrem von Brüchen durchzogenen hohen Ton, ihrem Wechseln zwischen Heroismus, Tragik und Exotik. Das alles verlangt nach mehr als einem turmhohen Pferd und aufwendigen Bauten (Es Devlin war für dieses Spektakel verantwortlich). Im Finale täuscht McVicar mit einer Art Zitat faschistischer Ästhetik eine Arbeit am Stück vor, die er in seinem eklektischen Arrangement davor völlig schuldig blieb.

Eine schwache Inszenierung, die nicht stört

Und doch: alles zweitrangig. Für Verfechter einer moderneren Regiesprache ist das vielleicht schwer zu akzeptieren, aber Musiktheater kann ganz offensichtlich allein durch die Kraft der Musik und ihrer Interpreten funktionieren. Diese Aufführung ist der glanzvolle Beweis. Joyce DiDonato schlüpft in eine ihrer Paraderollen. Gerade eine Belcantistin wie die Amerikanerin und ihr differenziertes, der Schwerkraft entbundenes Singen ist ideal für die Dido. Die Sängerin lässt ihren Mezzo scheinbar mühelos durch die Register wandern. Den Vorwurf, sie sei eine Nur-Schönsängerin, entkräftet sie im fünften Akt, wo sie ihre Stimme in den Dienst des Dramas stellt, ohne sie über Gebühr zu strapazieren.

Neben solch genau dosierter Vehemenz und vokaler Finesse muss ein Aeneas notgedrungen verblassen. Brandon Jovanovich ist ein sehr guter, aber keinesfalls außerordentlicher Tenorheld, der die heikle Partie tendenziell einförmig gestaltet. Monika Bohinec rettet den Abend (als zweite Frau neben DiDonato) als Einspringerin für Anna Caterina Antonacci und gibt eine ausdrucksstark-tragische Kassandra. Adam Plachetka als Koroibos überzieht erst allmählich sein Metall mit Schmelz. Jongmin Park ist ein imposanter Narbal, Szilvia Vörös eine stimmschöne Anna. Die beiden kleinen Tenorpartien sind mit Paolo Fanale und Benjamin Bruns ausgezeichnet besetzt, so gehört sich das auch für die Staatsoper.

Dass Dirigent Alain Altinoglu nach kleinen Anlaufproblemen Berlioz’ schillerndes Idiom hochspannend zu Gehör bringt, dass das Staatsopernorchester einen farbigen, biegsamen, wuchtigen Klang produziert (allein die Holzbläser!), macht das musikalische Glück fast perfekt, der fantatische Chor vervollkommnet es.