Heiße Liebe, brennende Eifersucht, hitzige Rache: Man weiß, all das gibt viel Asche im „Trovatore“. Giuseppe Verdis mächtige „Feuer“-Oper setzte das Grazer Opernhaus an den Beginn ihres heurigen Spielplans.

Ben Baur (35) hat die in Biscaya und Aragonien spielende Geschichte aus der Renaissance in ein Berliner Varieté aus den 1930ern transponiert, hin zu jenem „Tanz auf dem Vulkan“, auf den diese Zeit zusteuerte. Das fügt sich nicht immer schlüssig, vergrößert aber mit der anfangs ausgelassenen Feierstimmung die Fallhöhe in die immerfort drohenden Abgründe menschlichen (Miss-)Handelns.

Die Eingangsszenen wirken, als hätte George Grosz die Nazi Horror Picture Show vorausgemalt. Eine übergroße Volière für bunte Partyvögel wird später zum Kerker, Federboas wandeln sich zu züngelnden Flammen, selbst im kecken Cancan ahnt man schon den Totentanz.

In der Erzählung von den zwei Brüdern, die durch eine grausige Vorgeschichte mit einer vermeintlichen Hexe auf dem Scheiterhaufen und vertauschten Kindern voneinander nicht wissen und einander auf dem Schlachtfeld wie auf dem Feld der Liebe ins Gehege kommen, will der deutsche Regisseur allerdings gar viel: Die Tragödie, die er durchwegs stimmig in und mit der Musik inszeniert, erweiterte er um Blitzlichter auf die frivole Spaßgesellschaft, auf Herrenmenschen in ausgestellten Breeches-Hosen, auf Folterkammern, Lager und Ruinen. Und im vollgestellten, (zu) oft wie ein Karussell kreisenden Kulissenlager des Nachtclubs, in dem er die Protagonisten größtenteils bewegt, wird Baurs Bühnenbild zwischendurch allzu sehr zweckfreies Dekor.

Die vier Hausdebütanten schlugen sich bei der Premiere wacker bis sehr gut: Der italienische Tenor Stefano Secco steigerte sich als verlorener Bruder und Troubadour Manrico im Laufe des Abends zu heldischem Glanz, auch wenn die Hochtöne nicht immer perfekt saßen. Der russische Bariton Rodion Pogossov meisterte die Rolle des Grafen Luna mit Prägnanz und schöner Höhe. Die eher zierliche Ungarin Lana Kos trumpfte als Leonora mit voluminösem Sopran auf und fand nach einem längeren Anlauf auch technisch in die Spur. Am meisten aber beeindruckte Nora Sourouzian als zornbebende Azucena: Die Kanadierin changierte mit ihrem Mezzo souverän zwischen Dramatik und Innigkeit und überzeugte auch darstellerisch am meisten.

In den stimmigen Kostümen von Uta Meenen vervollständigte der Rest des Ensembles – allen voran Wilfried Zelinka als Ferrando, hier ein clownesk bis gespenstisch gezeichneter Conférencier – sowie der wache Chor das hohe Gesangsniveau.

Andrea Sanguineti hätte dem Dramma lirico da und dort auch tatsächlich mehr Lyrik angedeihen lassen können. Der Lautstärkeregler musste erst nach und nach eingestellt werden. Am Pult der bestens eingestimmten Grazer Philharmoniker wusste der 33-jährige Italiener nach etwas behäbigem Beginn aber Akzente zu setzen und Effekte zu nutzen, sodass die erste Premiere der Saison auch aus dem Graben eine musikalisch runde Sache wurde.

Oper - Im Glücksfall ein großer Rausch

(Unsere Vorstory zur Premiere am Grazer Opernhaus)

Aufführungen von Giuseppe Verdis „Il Trovatore“ wurden hierzulande zuletzt von Anna Netrebko geprägt: Bei den Salzburger Festspielen 2014 drückte die Starsopranistin der Inszenierung von Alvis Hermanis, der das blutige Ränkespiel bildreich in eine Pinakothek verlegt hatte, stimmlich und darstellerisch den Stempel auf. Detto jener Produktion, die nach 16 Jahren Werkpause im Februar in der Wiener Staatsoper Premiere gefeiert hatte und noch im September gespielt wurde: Regisseur Daniele Abbado, Sohn des 2014 verstorbenen Dirigenten Claudio Abbado, verlegte das Dramma lirico mit zähen Ideen und Umsetzungen in den Spanischen Bürgerkrieg – auch nur Mittelmaß nach dem Flop, den der ungarische Filmregisseur István Szabó vor fast 25 Jahren im Haus am Ring geliefert hatte.

Am „Troubadour“ sind seit der Uraufführung 1853 am Teatro Apollo in Rom nicht wenige Regisseure gescheitert, was wohl am so komplizierten wie unterbelichteten Libretto von Salvadore Cammarano liegt, der schwer mit dem Sujet aus dem Schauspiel „El trovador“ von Antonio García Gutiérrez rang und noch vor der Fertigstellung verstarb.

Es wird also spannend, wie das Team um Regisseur und Bühnenbildner Ben Baur bei der Premiere am Samstag (30. September) an der Oper Graz die Konfrontation des Troubadours Manrico und des Grafen Luna schildern wird, die im 15. Jahrhundert auf unterschiedlichen Seiten kämpfen, mit Leonora dieselbe Frau lieben und durch ein düsteres Geheimnis miteinander verbunden sind.

„Musiktheater ist lebendiges Geschichtenerzählen und im Glücksfall ein großer, unbändiger Rausch“, sagt der deutsche Regisseur Baur, der hier bereits im Vorjahr Charles Gounods „Roméo et Juliette“ erfolgreich in Szene setzte, indem er die auserzählte Handlung brach und das Hohelied der Liebe mit vifen Kunstgriffen in eine Liturgie des Todes verwandelte.

Die ungarische Sopranistin Lana Kos, der italienische Tenor Stefano Secco, der russische Bariton Rodion Pogossov in den Hauptrollen und die kanadische Mezzosopranistin Nora Sourouzian als Zigeunerin Azucena: Mit diesem Debütantenquartett stellen sich nun Ben Baur und Dirigent Andrea Sanguineti der Herausforderung, das dunkle, verworrene, mit spätmittelalterlich spanischer Historie beladene Schwesterwerk der „Traviata“ zu stemmen. Ein Rezept, wie man es zumindest musikalisch richtig macht, stellte übrigens der große Enrico Caruso aus: „Eine Aufführung des ,Trovatore‘ ist ganz einfach: Man braucht nur die vier besten Sänger der Welt!“