Schwimmen können wie eine Nixe: Davon träumt Annika, Kassiererin mit dunkelpinker Frisur und „Mermaiding“ als Hobby. Bei der täglichen Exkursion ins Hallenbad fantasiert sich die junge Frau mit der schäbigen Meerjungfrauenflosse an den Beinen aus ihrem prosaischen Alltag davon in bunte Unterwasserwelten, angeleitet von einer Stimme aus dem Off, die in Sachen unerfüllte Träume klare Anweisungen erteilt: „Schwimm hin und schnapp sie dir!“

Das wird sich in Franziska Pflaums Dramedy „Mermaids Don’t Cry“ noch als zwiespältiger Rat erweisen, denn Annika wünscht sich nichts sehnlicher als einen maßgeschneiderten neuen Fischschwanz aus Silikon, der allerdings einen entscheidenden Nachteil hat: Er kostet 2500 Euro, weit mehr, als sie aufzubringen imstande ist.

Viel Raum für ein Fraundschaftsdrama

Den bizarren Anstrengungen, die die junge Frau unternimmt, um sich die Flosse leisten zu können, folgt der Film ebenso teilnahmsvoll wie den Figuren ihres engsten Umfelds: Annikas Vater (souverän wie immer: Karl Fischer) setzt seinen ganzen Ehrgeiz darauf, sich einen Status als Pflegefall zu erschwindeln und zieht ebenso unvermittelt bei Annika ein wie der neue Freund (Nico Ehrenteit) , der sich alsbald als wohnungslos entpuppt. Die esoterisch-tyrannische Chefin (großartig: Inga Busch) sondert abwechselnd Drohungen und gute Ratschläge ab. Und Annikas Freundin und Kollegin Karo lässt, in der Hoffnung, dass ein Neuer sie aus der „Siedlung“ (und dem Prekariat als alleinerziehende Supermarktkassierin) herausholt, kein Gspusi aus und lädt dafür ihre beiden Kinder jedesmal recht umstandslos bei der Freundin ab.

Der zwiespältigen Beziehung der beiden Frauen, gibt der Film viel Raum – und damit den großartigen Schauspielerinnen Stefanie Reinsperger als Annika und Julia Franz Richter als Karo die perfekte Gelegenheit, zwei facettenreiche, widerspruchsvolle Frauenporträts auszugestalten, die zwischen schwesterlicher Innigkeit und unterschwelligem Konkurrenzverhalten oszillieren.

Zwei derart komplexe Heldinnen weit jenseits abgenutzter Working-Class-Milieustudien in den Fokus zu stellen, ist denn auch das Hauptverdienst des träumerischen, tragikomischen Debütfilms, der seinen augenscheinlichen Anspruch, den Humor und die Verschrobenheiten Wes Andersonscher Fasson in die Wiener Vorstadt zu übertragen, ansonsten nicht ganz einlösen kann. Dafür wird immerhin wird angerissen, dass man in Träumen auch ertrinken kann. Exquisit: der schlafwandlerische Soundtrack von Anda Revertera. Sympathisch: die bunten Unterwassersequenzen und ein Schluss, der die märchenhaften Elemente der Erzählung noch einmal charmant überspitzt.