Bewertung: *****

Inspiriert von Edgar Allen Poes letztem Kurzgeschichten-Fragment, begibt sich „Der Leuchtturm“ auf einen intensiven Trip auf eine abgelegene Insel. Zwei Leuchtturmwärter beginnen ihre mehrwöchige Schicht alleine vor der Küste von Neuengland. Der ältere, Thomas Wake, ist ein alter, launischer Seebär mit einem kranken Bein und Pfeife im Mund. Er macht es dem jungen Ephraim Winslow auf seinem ersten Einsatz nicht leicht und kommandiert ihn nach Lust und Laune herum. „Ein Mann muss einen guten Grund haben, wenn er nicht trinkt“, schmettert er dem jungen Kollegen im komischen Matrosen-Sprech entgegen, als dieser seinen Trinkspruch nicht erwidert. Doch auch im wortkargen Ephraim steckt eine schwierige Geschichte.
Regisseur Robert Eggers zögert nicht lange, dieses Kammerspiel filmisch und inhaltlich eskalieren zu lassen. Dabei verliert er sich nicht in experimentellen Spielereien, sondern baut seine Vision geschickt rund um die beiden Figuren herum. Zusammen mit den beiden ungleichen, aber gleichermaßen kraftvollen Darstellern Willem Dafoe und Robert Pattinson steigert er sein doppeltes Psychogramm zur verstörenden Lagerkoller-Paranoia. Ein Sturm verlängert die Isolation, und bald ist nicht mehr klar, wie lange sich die beiden denn nun schon auf der Insel einen Kampf liefern, miteinander singen, Schnaps trinken und dabei den Verstand verlieren.
Der Film ist voll wilder sinnlicher Intensität, mit erotischen Männer-Fantasien einer Meerjungfrau (Valeriia Karamän), dem ständigen Geräusch des Nebelhorns und viel Wind. In überwältigenden 35-mm-Bildern, in hartem Schwarzweiß und anachronistisch-engem Seitenverhältnis sowie mit einem bestechenden Kino-Sounddesign gelingt Eggers ein einzigartig-intensiver Insel-Albtraum. Mehr als eine filmische Poe-Geschichte.