Wer hat sich nicht schon einmal vorgestellt, wie Menschen einen am Grab betrauern? Oder seine seelischen und körperlichen Leiden von der Rolle gelassen, um ein bisschen Mitleid zu erhaschen? Wem das nicht bekannt vorkommt, der mag der beste Mensch der Welt sein.

In Kristoffer Borglis Debütfilm hingegen geht es, um den Titel eines weiteren Oslo-Films – jenen von Joachim Trier – zu zitieren, erneut um einen schlimmsten Menschen der Welt.

Dieser Mensch heißt Signe (Kristine Kujath Thorp), und ihr Bedürfnis nach Aufmerksamkeit wird beizeiten nur von dem ihres ebenfalls selbstverliebten Künstlerfreundes Thomas (Eirik Sæther) übertroffen.
Seit dieser jedoch Erfolge mit einer Ausstellung von gestohlenen Sesseln feiert, versucht Signe umso mehr, seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen. Kindische Spielchen – wie eine Nussallergie vorzutäuschen – reichen dafür aber nicht mehr. Vielmehr greift die junge Frau zu gefährlichen Medikamenten, deren Nebenwirkungen ihren Körper zunehmend verunstalten.

Natürlich folgt die unabdingbare Sympathiewelle von Freunden und Bekannten. Doch statt sich damit zufriedenzugeben, führt Signe schon bald genau Buch, wer sich wann bei ihr gemeldet hat, und wer überhaupt nicht erschienen ist. Thomas’ Ausstellung ist damit auch noch immer nicht in den Schatten gestellt, und die Freunde können es auch bald nicht mehr hören, wie schlimm es der armen Signe doch geht. Also müssen noch mehr Pillen, noch mehr Drama her. Ein Teufelskreis, der die eine oder andere weitere Überraschung bereithält.

Der norwegischen Schauspielerin Kristine Kujath Thorp, die letztes Jahr schon im Indiefilm „Ninjababy“ glänzte, gelingt es, der Figur die notwendige Tiefe zu geben, sodass man unweigerlich mit Signe fühlt, ohne sie zwangsläufig sympathisch zu finden. Für diese eindringliche Verkörperung wurde die 30-jährige Schauspielerin heuer auch zum Shooting-Star der Berlinale geadelt. Kristoffer Borgli bietet in seinem Drehbuch auch nie eine Erklärung oder gar eine Entschuldigung für Signes Verhalten.

Vielmehr führt er vor Augen, wie viel in uns selbst in Signe steckt. Dass sich ihr Narzissmus nicht so sehr von unserem in seinem Naturell unterscheidet, sondern nur in seinem Ausdruck. Vor allem in einer Gesellschaft, die so auf das perfekte Image, auf Likes, Klicks, Posing und Beliebtheitswerte ausgelegt ist. Diese bitterböse Tragikomödie aus Norwegen trifft somit nicht nur einen Nerv, sie macht dabei auch noch höllisch Spaß.

Bewertung: ★ ★ ★ ★ ☆ (4/5)