Eine Figur im Übergang. Ein Charakter an der Schwelle. Das sind die Themen, mit denen sich die österreichische Regisseurin Clara Stern am liebsten auseinandersetzt. Ihre jüngste Figur und Protagonistin ihres Langspielfilmdebüts, die diese Feuertaufe der Veränderung besteht, ist die Eishockeyspielerin Mira (Alina Schaller). Als Kapitänin der Damenmannschaft "Dragons" kämpft sie am Eis, daheim am ländlichen Familienweinbau geht sie fleißig Mutter (Pia Hierzegger) und Opa (Wolfgang Böck) zur Hand. Auf den ersten Blick ein erfülltes Leben. Zunächst scheint auch Mira noch zu glauben, alles unter Kontrolle zu haben.

Doch nach und nach werden die Risse in diesem perfekt kuratierten Leben offensichtlich. Seit die Oma vor einigen Jahren an einem Unfall verstorben ist und Bruder Paul (Tobias Resch) von einem Tag auf den anderen die Familie verlassen hat, hängt der Haussegen schief. Mit der Mutter herrscht kommunikativ Eiszeit. Wenn geredet wird, dann wird meist gestritten. Der Opa zeigt frühe Anzeichen der Demenz und fragt dauernd nach Paul. Und dem Eishockeyteam fehlt jegliche Solidarität und Zusammenhalt. Ein Haufen Egoistinnen, wie der Neuzugang aus Salzburg, Theresa (Judith Altenberger - die Schwester von Verena Altenberger), richtig bemerkt.

Eine Welt gerät ins Wanken

Theresas ungefilterte Ansichten sind es auch, die Miras Welt erstmals in Wanken bringen. Dazu kommt, dass auch plötzlich Paul wieder auftaucht und die Schwester sowie Theresa zu einer Reihe an alkoholreichen, wilden Abenden ins Wiener Nachtleben entführt. Mira lässt sich zögerlich drauf ein, auf dieses Abgeben von Verantwortung, die mysteriösen Spiele und Rollen, die sich Paul überstreift, ohne je zu verraten, was er wirklich mit seinem Leben macht, das Spielen mit der eigenen Geschlechterrolle, das Crossdressing, den Rausch. Theresa, der einstige Störenfried, kommt ihr dabei auch immer näher.

Wer sind wir wirklich, fragt der Film inmitten dieser ausschweifenden Abende, oder hinter all der Montur, die die Eishockeyspielerinnen sich regelmäßig über den Körper ziehen. Ihre Figuren seien auf der Suche, so Stern. Die Suche nach dem Selbst. Sie probieren sich aus, ecken an, verlieben sich. Und doch sind Mira Konfrontationen fremd. Sie versucht sich zunächst entlang von Regeln, die sie sich selbst auferlegt hat, durchs Leben zu schlagen. Doch so wie der fehlende Mut ihr Privatleben unterdrückt, so macht er sie auf dem Eis zu vorsichtig, zu wenig engagiert als Spielerin. Stern gelingt es dabei, den Sport nicht nur stilvoll und elegant in Szene zu setzen. Sie schafft ein Plädoyer für dessen emanzipatorische Kraft, das Fehlen jeglicher körperlichen Inszenierung von Frauen. Sowohl auf dem Eis und in den Umkleiden sind Spielerinnen der österreichischen Nationalmannschaft zu sehen.

In diesem Reigen aus Party und Arbeit beginnt Mira jedoch ihre seelische Zuflucht, den Teamsport, zu vernachlässigen, und auch daheim treten alte Konflikte wieder auf. Die junge Frau muss in sich gehen. Wie kann sie sich selbst verwirklichen, ihren eigenen Weg gehen, und dennoch für all die Menschen da sein, die ihr wichtig sind? Stern verbietet sich in ihrem Drehbuch hier einfache Lösungen anzubieten, alles in stimmigen Wohlgefallen aufzulösen. Den eigenen Weg zu gehen, bedeutet auch Opfer zu bringen. Oder dort nach Geborgenheit zu suchen, wo man sie am wenigsten vermutet hätte. Ein Brechen der Regeln ist notwendig, um einen neuen Anfang wagen zu können. Sowohl auf dem Eis als auch im privaten Leben.

Bewertung: ****