BONES AND ALL
Bewertung: ***

Maren (Taylor Russell) ist 18 Jahre alt und hungrig nach Menschenfleisch. In Luca Guadagninos hochkarätig besetztem Film "Bones and All" wird ihre Coming-of-Age-Geschichte als Roadmovie erzählt. Auf der Suche nach ihrer Mutter, die sie nie gekannt hat, begegnen ihr verschiedene andere Kannibalen und Kannibalinnen. Darunter ist Lee, gespielt vom abgemagerten Teenieschwarm Timothée Chalamet, der hier erneut sein schauspielerisches Können beweist. Als Liebespärchen driften die beiden durch den sonnigen Mittleren Westen der USA der 1980er. Ihre Fleischeslust dient als blutige Metapher, wofür, bleibt den Zuschauenden überlassen. Das Horror-Element bringt Irritation in das harmlos-liebe Romantik-Drama. (maw)

BREAKING THE ICE
Bewertung: ****

Auf dem Eis lebt Mira (Alina Schaller) ihren Traum. Hier scheint der Stress mit der Mutter (Pia Hierzegger), die Demenz des Opas (Wolfgang Böck) oder das Verschwinden von Bruder Paul (Tobias Resch) vom elterlichen Hof in weiter Ferne. Gefangen zwischen ihren Pflichten als Kapitänin der Eishockeymannschaft "Dragons" und dem Weinbau daheim, scheint Mira sich aufgegeben zu haben. Das ändert sich, als Theresa (Judith Altenberger) zum Team stößt. Clara Sterns Langfilmdebüt stellt sie vor die Frage: Welche Regeln muss sie brechen, am Eis und privat, um ihre eigene Stimme zu finden? Einfühlsame Selbstfindungsstory, aufregende Eishockeyszenen mit den österreichischen Nationalteamspielerinnen. (sg)

ZEITEN DES UMBRUCHS
Bewertung: ***

Paul ist ein schüchterner, elfjähriger Bub. Gleich an seinem ersten Schultag bekommt er Probleme, weil er eine Karikatur seines strengen Lehrers zeichnet. Aber er schließt Freundschaft mit Johnny, einem afroamerikanischen Buben, der sitzen geblieben ist. Als Paul nach einem Schulausflug zum Guggenheim-Museum wieder vom Lehrer geplagt wird, zeigt sich Johnny solidarisch. Doch als sie beiden einen Joint rauchen, wird Paul in eine noble Privatschule gesteckt. Dort darf er einer Rede von einem gewissen Fred Trump und seiner Tochter Maryanne (Jessica Chastain in einer Minirolle) an die zukünftige Elite zuhören.
An diesem Hintergrund wird schon deutlich, dass Regisseur James Gray hier keine frei erfundene Geschichte erzählt. Wir befinden uns im Jahr 1980 in Queens, New York. Ronald Reagan nimmt gerade Anlauf für die Präsidentschaftswahl und warnt vor Armageddon. "Armageddon Time" (auf Deutsch "Zeiten des Umbruchs") ist ein autobiografischer Coming-of-Age-Film über die Kindheit des 1969 geborenen Gray. (maw) Eine ausführliche Kritik lesen Sie hier.



STRANGE WORLD
Bewertung: ****

Teenager Ethan schwärmt für einen Burschen, will kein Bauer werden wie sein Vater, sondern die Welt entdecken. Disneys Weihnachtsfilm ist ein opulentes, diverses und inklusives Animationsabenteuer im Stile Jules Vernes. Im Zentrum von Don Halls "Strange World" steht eine herzenswarme Familiengeschichte im fiktiven Land Avalonia und ein surrealer Retro-Science-Fiction-Trip ins Innere der Erde. Geschlechterrollen, Generationenkonflikte, Klimakrise: Disney gibt sich plötzlich gesellschaftskritisch. Wunderbar so. (js)

GUILLERMO DEL TOROS PINOCCHIO
Bewertung: *****

Meister Geppetto hat ihn aus Holz geschnitzt. Wenn er lügt, beginnt seine Nase zu wachsen. Viele Filmschaffende probierten sich an
Pinocchio-Filmen, die aktuelle Version von Genre-Spezialist Guillermo del Toro ist ein Animationskunstwerk. Mittels umwerfender Stop-Motion-Technik wird eine handgemachte Miniaturwelt zum Leben erweckt, die ohnehin düstere Originalgeschichte um morbide Dimensionen und Gefahren des Italofaschismus ergänzt. Jetzt im Kino (u. a. Wiener Gartenbaukino und Grazer Rechbauerkino), ab 9. Dezember auf Netflix. (pog)

MENSCHLICHE DINGE
Bewertung: ***

"Menschliche Dinge". Alexandre (Ben Attal) ist Elitestudent in Stanford. Er besucht seine aus Fernsehen und Debatten berühmten Eltern für ein paar Tage in Paris, weil sein Vater einen Orden bekommt. Dort lernt er beim Essen mit seiner Mutter (Charlotte Gainsbourg in Höchstform) ihren neuen Freund und dessen Tochter Mila (Suzanne Jouannet) kennen. Die beiden gehen auf eine Party. Kurze Zeit später beschuldigt sie ihn der Vergewaltigung im Schuppen. Yvan Attal hat den Bestsellerroman als packenden, harten #MeToo-Thriller verfilmt. Was bedeutet sexueller Konsens? Wo fängt eine Vergewaltigung an? Standpunkte werden abgeklopft, der Begriff mutmaßlich verhandelt – Antworten bleibt der Regisseur schuldig. Schade. (js)