Wir befinden uns immer noch im Jahr 2154 auf dem Mond Pandora. Allerdings sieht das Ganze nun besser aus. Schließlich wurde James Camerons Kultfilm, der 2009 die 3D-Technik und die Computeranimation revolutionierte und sich zu einem der erfolgreichsten Werke der Filmgeschichte aufschwang, nun digital runderneuert. Bevor die geplanten Fortsetzungen – Stand jetzt – Ende des Jahres starten, kommt der Urfilm in 4K High Dynamic Range am Freitag erneut in die heimischen Kinos.

Die Atmosphäre auf Pandora ist für Menschen tödlich, für die humanoiden Ureinwohner jedoch nicht. In der menschlichen Kolonie hat man für die außerirdische Lebensart dennoch wenig Verständnis, sitzen die blaugehäuteten Riesen doch auf einem riesigen Mineralvorkommen, das die Energieprobleme der Erde auf einen Schlag lösen könnte – ein überraschend aktuelles Thema im Jahr 2022.

Während die Armee unter dem Druck der Wirtschaftsbosse eine schnelle und gewaltsame Lösung anstrebt, versuchen einige Wissenschaftler – darunter die heute noch erfrischend eigensinnige Sigourney Weaver – seit vielen Jahren, das Vertrauen der Na'vi zu gewinnen und eine diplomatische Lösung anzustreben. Zu diesem Zweck wurden Avatare geschaffen, gentechnische Hybride aus Menschen und Ureinwohnern, die aussehen wie die Außerirdischen und von den Menschen mental gesteuert werden können.

Einer, der auf diese Weise die fremde und in vielerlei Hinsicht nicht ungefährliche Welt erkunden kann, ist der gelähmte Ex-Soldat Jake Sully (Sam Worthington). Wenn er sich mühevoll in seinen solarium-artigen Container hievt und sich in den großen, schlanken und muskulösen Avatar einklinkt, dann werden bei ihm nicht nur Erinnerungen geweckt, sondern wird der stille Außenseiter auch bald zum selbstbewussten und heldenhaften Anführer. Bei diesen Weltenwechseln und Initiationssequenzen lassen Filme wie "The Matrix" oder "Der mit dem Wolf tanzt" mehr als deutlich grüßen.

Von der Story her leidet "Avatar" sehr darunter, dass man sich bei den zahlreichen Versatzstücken aus den größten Hollywoodblockbustern schnell an vergleichbaren Werken orientiert und sich der Film als durchwachsenes Genrehybrid zwischen Fantasyaction, Science-Fiction-Parabel und Western präsentiert. Damit hat der Drehbuchautor Cameron dem Regisseur Cameron auch wahrlich keinen Gefallen getan, denn was sich erzählerisch abspielt, das kann mit der optischen Meisterleistung leider nicht im Geringsten mithalten.

James Cameron vor einem Plakat seines Erfolgsfilms
James Cameron vor einem Plakat seines Erfolgsfilms © AP

Vom Look her ist "Avatar" nicht zuletzt in 4K auch für heutige Augen reinstes und feinstes Kinospektakel. Knapp zehn Jahre musste der Regisseur von Kassenschlagern wie "Alien", "Terminator" oder "Titanic" einst warten, bis er seine Vision eines möglichst realen Erfahrens des neuen Universums in Stereo-3D umsetzen konnte. "Wir wollten Figuren kreieren, die absolut lebensecht wirken", sagt Cameron, dem ein neues Motion-Capture-Verfahren vor vier Jahren schließlich die Gelegenheit gab, jede Mimik, Muskel- und Augenbewegung der Schauspieler auf die animierten Außerirdischen zu übertragen.

Das Ergebnis kann sich auch heute noch sehen lassen. Immer wieder wähnt man sich selbst auf Pandora, duckt sich zwischen aufspritzenden Kieseln oder Tränengasbomben durch, fühlt sich bei Verfolgungsjagden ziemlich in der Schussbahn. Cameron scheut, wenn es um das friedliche Waldvolk geht, auch nicht vor ethnokitschigen Bildern und Klängen zurück – und lässt keinen Zweifel daran, dass sich Jake gar nicht anders entscheiden kann, als sich in die Na'vi-Prinzessin Neytiri (Zoe Saldana) zu verlieben und schließlich gegen seine eigene Spezies in den Kampf zu ziehen.

Immer wieder hat der Oscar-Preisträger auch politische Botschaften zwischen Umweltthematik und Antikriegspropaganda in sein 250-Millionen-Dollar-Projekt eingeflochten, die auch 13 Jahre nach der Weltpremiere aktuell erscheinen. Nichtsdestotrotz schreckt Cameron am Ende nicht vor Kriegsromantik a la "Herr der Ringe" zurück.

Alles in allem sind es wundersame Hybride, die der heute 68-jährige Filmemacher zwölf Jahre nach "Titanic" in einem knapp dreistündigen Epos auf die Leinwand gebracht hat – sowohl in der Hauptfigur als auch auf Story- und Genre-Ebene. Sogar Sigourney Weaver wurde bei ihrem "Aufbruch nach Pandora" (so der deutsche Zusatz im Titel) irgendwo zwischen "Gorillas im Nebel" und "Alien" angesiedelt. Und bei Stephen Lang als ultra-bösem Col. Quaritch hat man auf jeden Fall das Gefühl, dass er dem Duft von Napalm am Morgen auch nicht ganz abgeneigt sein dürfte.