Aktion vor der Filmpremiere von Jafar Panahi: Sally Potter, Julianne Moore und Alberto Barbera machten mit
Aktion vor der Filmpremiere von Jafar Panahi: Sally Potter, Julianne Moore und Alberto Barbera machten mit © APA/AFP/TIZIANA FABI

Wo auf dem Filmfestival in Venedig sonst Premieren und Stars gefeiert werden, wird auf dem roten Teppich auch an Verfolgte und Inhaftierte erinnert. Bei der vom Festival organisierten Aktion wurden Schilder mit Namen von Künstlern und Künstlerinnen hochgehalten, die verfolgt werden und inhaftiert sind. Einer von ihnen: der iranische Filmemacher Jafar Panahi, der wie kurz vor ihm auch sein prominenter Kollege Mohammed Rasulof vor einigen Monaten verhaftet wurde und seitdem eine sechsjährige Gefängnisstrafe wegen „Propaganda gegen das Regime“ absitzen muss. „No Bears“, der Film er vorher aber offenbar doch noch fertigstellen konnte, feierte nach der Demonstration auf dem roten Teppich seine Premiere als einer der letzten Beiträge im diesjährigen Wettbewerb.

Bereits 2010 wurde der 62-jährige Regisseur nicht nur zu der jetzigen Gefängnisstrafe verurteilt. Er wurde damals auch mit einem Arbeits- und Reiseverbot belegt und durfte keine Filme mehr drehen und keine Drehbücher schreiben – eigentlich. Undercover hat er trotzdem Möglichkeiten gesucht und gefunden, neue Projekte zu realisieren. Immer wieder konnten seine Filme für Aufführungen auf den großen Festivals außer Landes gebracht werden, wie auf der Berlinale, wo er 2015 für „Taxi Teheran“ den Goldenen Bären bekam. In seinem aktuellen Werk „No Bears“ nun spielt er selbst mit und thematisiert seine eigene, schwierige Situation.

Die Darsteller von "No Bears (Khers Nist)", Mina Kavani und Reza Heydari
Die Darsteller von "No Bears (Khers Nist)", Mina Kavani und Reza Heydari © APA/AFP/ANDREAS SOLARO

In einer der ersten Szenen zeigt die Kamera einen Laptop, fährt zurück und zeigt Panahi davor, der aus der Ferne am Schreibtisch den Dreh einer Szene beobachtet. In mehrfacher Hinsicht ist der Film dabei eine Grenzoperation: „No Bears“ spielt an der türkisch-iranischen Grenze. Panahi selbst hat sich auf iranischer Seite in einem Haus in einem Dorf eigemietet, wo er von den Bewohnern argwöhnisch beäugt und schließlich in Dorfangelegenheiten verwickelt wird. Sein Film über die Flucht eines Paares entsteht derweil mit der Crew in der Grenzstadt auf türkischer Seite. Über die clevere Konstruktion der Handlung, die mehrere Ebenen eröffnet, macht Panahi dabei nicht nur offensiv auf seine Situation vor der Verhaftung aufmerksam. Er gibt einen Einblick in das strikt konservative, traditionelle Dorfleben genauso wie den Prozess des Filmemachens, Wirklichkeitsansprüche und Flucht. Mitunter offen politisch in seinen Aussagen spricht er dabei auch Perspektivlosigkeit im Iran an.

Obwohl Panahi nicht selber beim Festival sein konnte, war es ihm möglich eine Nachricht zu schicken. Sie wurde von Festival-Direktor Alberto Barbera auf dem Panel „Filmmakers under Attack“ verlesen. „Wir sind Filmemacher, leben bedeutet für uns zu schaffen und zu kreieren“, hieß es darin unter anderem. „Weil es sich um keine Auftragsarbeiten handelt, werden wir von manchen Regierungen als Kriminelle gesehen.“ Einigen Filmemacher sei verboten worden, Filme zu drehen, andere seien ins Exil oder in Isolation gezwungen worden. „Und doch ist die Hoffnung, wieder zu kreieren, der Grund fürs Existieren“, schrieb Panahi, der mit „No Bears“ in Venedig auf jeden Fall preisverdächtig ist – einmal mehr, unabhängig von seiner aktuellen Situation.