Das Licht im Saal ist wieder an. Die Türen wurden bereits geöffnet. Das Publikum ist wie immer auf dem Filmfestival beim ersten Namen des Abspanns aufgesprungen. Doch Moment! So schnell ist nicht Schluss. So schnell lässt Quentin Tarantino seine Kinozuschauer nicht vom Haken. Eine Theorie hat er noch zum Finale des Dokumentarfilms „Django & Django“ – und zwar dazu: Wer ist eigentlich Mercedes? Wer ist die Frau, an deren Grab der wortkarge Revolverheld Django im gleichnamigen Spaghetti-Western-Klassiker von 1966 erscheint? Während das Festivalpublikum auf dem Sprung ist, breitet Tarantino auf der Leinwand ausführlich seine Ideen dazu aus und beendet seine Ausführungen, als der Abspann längst beendet ist. Um die Frage, wer denn Mercedes eigentlich ist, geht es allerdings nicht in Luca Reas Doku „Django & Django“. Vielmehr steht mit Sergio Corbucci der „Django“-Regisseur im Fokus, den der „Django Unchained“-Regisseur Tarantino offensichtlich sehr verehrt und der für ihn unumstößlich nach Sergio Leone der zweitbeste Regisseur von italienischen Western war.

In dem rund 80-minütigen Crash-Kurs erklärt vor allem Tarantino im roten Kinosessel die Großartigkeit Corbuccis und sprudelt dabei, wie gewohnt, sein Wissen enthusiastisch heraus. „Wir dachten, dass wir nur eine halbe Stunde Interview mit Tarantino haben würden, dann waren es aber mehr als zwei Stunden“, berichtete Regisseur Rea in Venedig. Auf dem Festival ließ sich Tarantino anlässlich der Premiere außer Konkurrenz allerdings nicht blicken. Dafür kam Ur-Django Franco Nero, der mit 24 Jahren durch die Filme berühmt wurde und nun auch in „Django & Django“ interviewt wird. „Corbuccis Filme waren politisch“, erklärte der italienische Schauspiel-Veteran auf dem Festival. „Er bekämpfte mit ihnen Faschismus.“

In der Doku werden neben Interviews auch Archivschnipsel und Filmausschnitte von Corbuccis Western aus den 60ern wie „Leichen pflastern seinen Weg“, „Die gefürchteten Zwei“ oder eben „Django“ gezeigt. Unerbittlich, pessimistisch, surreal waren sie laut Tarantino und zeichneten ein sehr blutiges und mitleidloses Bild des Wilden Westen. Es wird schnell klar, warum Corbucci für ihn eine wichtige Inspiration für sein eigenes Werk ist. So ist „Django & Django“ in mehrfacher Hinsicht eine filmische Fanveranstaltung: eine Huldigung mit Tarantino als großem Fan vor der Kamera, inszeniert von einem spürbaren Fan und für ein Publikum von Fans, Nerds und allen, die sich auf diese Exkursion in die Historie der italienischen Western einlassen wollen.

Auch über „Django & Django“ hinaus hatte das Genrekino gestern ein Plätzchen auf dem Festival in Venedig. In „Halloween Kills“ ließ Regisseur David Gordon Green die weiß-maskierte Killer-Ikone Michael Myers nach „Halloween“, seinem Reboot von John Carpenters Horrorklassiker, noch einmal auferstehen und weitermorden: diese personifizierte Essenz des Bösen, die einfach nicht auszulöschen ist. Während diesmal zahlreiche Kleinstadtbürger und Überlebende früherer Attacken in der Halloween-Nacht in Haddonfield Myers auf den Fersen sind, ist auch diese gore-blutige Fortsetzung selbst in der x-ten Variation in den Spannungs- und Schockmomenten effektiv inszeniert. Mittendrin: Jamie Lee Curtis, die für die Premiere nach Venedig kam und mit dem Goldenen Löwen für das Lebenswerk ausgezeichnet wurde.

Dazu passte „Halloween Kills“ durchaus gut, auch wenn er sicherlich nicht ihr bester Film ist. Doch sie nimmt darin einmal mehr die Rolle auf, die ihre Karriere von den Anfängen in den 70ern bis heute begleitete – als ewig verfolgte Laurie Strode, die sich gegen Myers bislang immer wieder zur Wehr setzen konnte. Sascha Rettig