Die Goldene Palme in Cannes geht in diesem Jahr an den französischen Film „Titane“. Die Jury kürte das Fantasy-Drama der Französin Julia Ducournau am Samstagabend zum besten Film des diesjährigen Wettbewerbs. Erst zum zweiten Mal in der Geschichte des Filmfestivals geht die Goldene Palme damit an eine Frau – 1993 hatte Jane Campion für „Das Piano“ die Auszeichnung erhalten.

Im ganz hellen Rampenlicht der Konkurrenz um die Goldene Palme mag Österreich zwar nicht vertreten gewesen sein. Mit C.B. Yis in Taiwan angesiedeltem Stricherdrama „Moneyboys“ und Sebastian Meises Gefängnisdrama „Große Freiheit“ fanden dafür aber immerhin gleich zwei Koproduktionen in der renommierten Nebensektion „Un Certain Regard“ einen Platz. Vor allem Meises Film sorgte nicht nur beim Publikum, sondern auch bei der Jury unter Vorsitz der britischen Filmemacherin Andrea Arnold für Begeisterung.

Neustart für die Branche

Ein Rückblick auf die diesjährigen Festspiele: Nachdem die Band Sparks in Leos Carax’ bizarrem Eröffnungs-Musical „Annette“ an der Seite von Adam Driver und Marion Cotillard über die Leinwand marschiert war und „So May We Start“ gesungen hatte, galt das auch als Neustart für die Branche und nicht zuletzt für das Gemeinschaftserlebnis Kino an sich. Cannes wollte das herbeigesehnte Lebenszeichen mit aller Kraft und vollen Sälen spürbar machen und wie vor der Pandemie zelebrieren. Aber eine wirkliche Euphorie wollte sich nicht einstellen. Dafür war der Wettbewerb mit satten 24 Filmen deutlich zu gedrängt programmiert – und das internationale Kunst- und Autorenkino in der Auswahl machte einen durchwachsenen Eindruck.

Im Vorfeld gab es das übliche Favoritenraten. Am ehesten kam diese Rolle dem atmosphärisch absorbierenden „Drive My Car“ des Japaners Ryusuke Hamaguchi zu, einer dreistündigen Verfilmung von Haruki Murakamis gleichnamiger Kurzgeschichte, die sich ohne jedes Getöse in Cannes mit durchweg positiven Reaktionen an die Spitze der Palmenkonkurrenz setzte.

Altmeister konnten nicht überzeugen

Auch Carax’ „Annette“ oder Joachim Triers „The Worst Person in the World“, der auf ebenso kluge wie komische Weise das Leben einer ziellosen 30-Jährigen porträtiert, gehörten zu den Höhepunkten des Festivals. Viele der renommierten Größen wie Nanni Moretti mit dem Familiendrama „Tre Piani“ oder Paul Verhoeven mit seinem trashig-provokanten „Benedetta“ um eine lesbische Nonne konnten nicht an ihre Großtaten anknüpfen.

Auch Wettbewerbsnewcomer Sean Baker entwickelte mit „Red Rocket“ nicht die Intensität seiner grandiosen Coming-of-Age-Geschichte „Florida Project“. Ewig preisverdächtig hingegen der Iraner Asghar Farhadi: In „A Hero“ wirft er anhand der Geschichte eines Häftlings – allerdings eher distanziert als involvierend – interessante moralische Fragen auf.
Wes Andersons gewohnt versponnene Printjournalismus-Hommage „The French Dispatch“ bewegte sich derweil trotz einer Flut an Einfällen und Stars zwischenzeitlich im Leerlauf – und ging leer aus. Dafür sorgte der Film mit seiner Besetzung für einen Glamourschub in der zweiten Festivalhälfte – und ließ Bill Murray, Arien Brody, Tilda Swinton, Timothée Chalamet und einige andere Stars in einem Bus am roten Teppich vorfahren.