Nach „Die Wunderübung“ ist „Risiken und Nebenwirkungen“ der zweite Theaterstoff, den Sie verfilmt haben. Welche Inszenierung davon hat Sie denn begeistert?
MICHAEL KREIHSL: Ich hatte das Stück davor noch nicht im Theater gesehen. Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger hat es mir zu lesen gegeben. Die existenzielle Grundfrage, ob man seine Niere für die Partnerin spenden würde, fand ich sofort super: Das ist ein allumfassendes Thema und wenn man aus dem Stück oder dem Kino geht, würde man sich fragen, wie es bei mir und in meinem Leben wäre. Der Trick war, es komödiantisch zu lösen und in einer fast Billy Wilder’schen Art gegenzubürsten. Man könnte schnell einen harten Ibsen-Stoff daraus machen. Komödien sind immer heikel, aber das Theater legt hier einen Grundstein, auf dem ich aufgebaut habe. Man gibt den Figuren eine Vergangenheit oder einen Nebensatz, das dann sehr bezeichnend für Beziehungen wird. Ich habe zwei Personen dazuerfunden und den handelnden Menschen etwas mehr Raum gegeben.

Was hat Sie an der Hauptfigur des eitlen Architekten, verkörpert durch Samuel Finzi, gereizt?
Das ist ein typischer Überflieger, ein Checker, ein Geschäftsmann. Ein Typ, in dem man diese gewisse Art von Männlichkeit sieht. Er will das Problem mit Business-Mitteln lösen. Wenn so einer dann in Bedrängnis kommt, wird es hochinteressant.

Wie macht man aus so einem Stück-Text ein Drehbuch?
Indem man die Personen als Menschen ernstnimmt. Das Stück ist ein Boulevard-Stück und dieses greift in vielen Momenten auf Typen zu. Jeder Mensch ist ein Typ, fast wie in der Comedia dell’arte. Mich interessieren aber Typen weniger, sondern mehr der Mensch dahinter - auch diese sehr oszillierende Figur von ihr, der Partnerin, der Kranken. Wie geht sie mit der Beziehung um? Da beginnt es zu menscheln. Da habe ich angesetzt.

Es wird in diesem Film viel geredet, aber eigentlich wenig gesagt.
Am meisten wird aneinander vorbeigeredet. Da gibt es eine Szene vor dem Spiegel. Er sagt: „Wann hast du deine Deadline?“ Es fällt ihm gar nicht auf, was er redet und sie sagt: „Ja, ich würde es tun“. Das Aneinandervorbeireden im Film ist etwas forcierter als im Theaterstück. Eine meiner Lieblingsszenen ist jene, in der die Putzfrau der Frau ein Heiligenbild gibt und sie umarmt. Das macht keiner, die menschlichsten Bedürfnisse kommen also von der Putzfrau. Diesen Kosmos kann man im Film zeigen, wenn ein Blick mehr sagt als tausend Worte. 

In kammerspielartigen Szenen entfaltet sich großes Schauspiel.
Es ist absolut ein Kammerspiel. In den Räumen herrscht ein Druck, der auf den Personen lastet. Wir haben das Architektenhaus sehr lange gesucht: es ist wie ein Käfig oder ein Aquarium, wo sie nicht raus können. Das trägt alles zu einer Gesamtwirkung bei, wie auch dieses Breitwandformat, wo man buchstäblich diese Leere zwischen den Personen sieht.

Bearbeiten Sie schon ein nächstes Theaterstück?
Nein, es war mehr Zufall, dass es nun zwei Stück-Adaptionen gab. Ich schreibe gerade ein Drehbuch für einen Film über das Jahr 1945 - auch über die Gegenwart. Und darüber, wie die Ereignisse dieser Zeit immer noch in unser Leben hineinreflektieren. Und zwar nicht als Lehrstück oder mit erhobenem Zeigefinger, sondern spielerisch. Es geht um einen Regisseur, der gerade eine Nazi-Serie dreht. Es ist sehr weit weg vom Theater. Es ist eine sehr filmische Geschichte.

Im Herbst soll Ihre neue ORF-Stadtkomödie „Man kann nicht alles haben“ aus Graz ins Fernsehen kommen. Es war eine der ersten Produktionen, die in der Pandemie entstanden ist. Wie lief der Dreh?
Es war eine sehr konzentrierte Arbeit im 3-Zonen-Modell. Es war auch eine interessante Konstellation von Menschen, die ich sehr schätze, die in dieser Konstellation noch nicht zusammengearbeitet hatten: Fritz Karl, Aglaia Szyszkowitz, Marie-Luise Stockinger, Aaron Friesz, Gerhard Liebmann, Thomas Mraz, Johannes Silberschneider oder Daniela Golpashin. Ich sage immer: Der Cast ist die halbe Miete jeden Films. Am 11. September soll der Film beim Open-Air-Kino im Lesliehof Premiere feiern.