Herr Kaurismäki, Sie sind selbst ein weit gereister Mensch, der schon in vielen Ländern der Welt gelebt hat. Wie sehr hat die Tatsache des Sich-neu-Ansiedelns Ihren neuen Film „Master Cheng in Pohjanjoki“ beeinflusst?

Mika Kaurismäki: Es hat schon etwas damit zu tun. Ich habe 30 Jahre in Brasilien gelebt, davor drei Jahre in Lissabon, davor in Deutschland, danach in den USA und nun wieder in Finnland. Ich kenne das Gefühl ziemlich gut, als Fremder anzufangen und sich zu integrieren. Das hat mir bei dem Film geholfen. Das Thema kam zufällig.

Wie denn das?

Mika Kaurismäki: Ich fahre jeden Sommer nach Lappland, dort veranstalten mein Bruder und ich seit 30 Jahren unser „Midnight Sun Film Festival“, und Weihnachten verbringen wir ebenso im Norden. Vor ein paar Jahren sind wir in dem kleinen Dorf angekommen, es war dunkel, aber es wimmelte vor Menschen. Lauter chinesische Touristen. Plötzlich gab es eine Invasion. Sie kommen wegen der Nordlichter. Gleichzeitig erzählte mir mein Drehbuchautor sehr viel über die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), in der Essen wie Medizin wirkt. Da kam mir die Idee vom Essen als Brücke zwischen unterschiedlichen Kulturen. Wenn man von Globalisierung spricht, meint man meist ein Geschäftsfeld für Firmen. Meine Idee war es, Leute zusammenzuführen. Das ist heutzutage ja das Problem der Welt, dass manche verrückten politischen Führer sogar versuchen, ihre Leute voneinander zu trennen, anstatt sie zusammenzubringen. Und das ist meine Botschaft: Wir müssen zusammenhalten.



Für einen Kaurismäki-Film ist es ein richtiger Wohlfühlfilm geworden. Hatten Sie diese Absicht von Anfang an?

Mika Kaurismäki: Auf jeden Fall. Wenn man heutzutage Zeitungen liest oder Nachrichten hört, macht einem das eigentlich immer Angst, was vor uns ist. Wir haben das Virus, aber es kann noch viel schlimmer kommen, wenn wir uns nicht um die Welt kümmern. Ich wollte einen Film machen, der positiv ist.

Was verbindet Sie denn mit dieser unendlichen Weite und Landschaft Lapplands?

Mika Kaurismäki: Diese Landschaft hat etwas Charismatisches: die Weite, die nicht so hohen Berge, die Leere. Wenn man dort spazieren geht, verliert man das Zeitgefühl.

Jetzt im Kino: „Master Cheng in Pohjanjoki erzählt von einem verwitweten Chinesen, der in Lappland aushilft – und sich verliebt
Jetzt im Kino: „Master Cheng in Pohjanjoki erzählt von einem verwitweten Chinesen, der in Lappland aushilft – und sich verliebt © Polyfilm


Sie und Ihr Bruder haben Ihr Filmfestival ins Netz verlegt. Wie haben Sie das erlebt?

Mika Kaurismäki: Es ist eigentlich besser gegangen, als wir dachten. Aber ich hoffe, dass es zum letzten Mal online stattgefunden hat. Es ist nicht dasselbe. Der Reiz unseres Festivals ist, dass es genau inmitten von irgendwo passiert.

Wie ist es Ihnen während des Lockdowns ergangen? Waren Sie aktiv? Haben Sie gearbeitet?

Mika Kaurismäki: Ich habe mit meinem Bruder seit 30 Jahren eine Bar in Helsinki – die Corona-Bar. Sie heißt wirklich so. Wir haben zu der Zeit heimlich in der Bar einen Film gedreht. Drei Männer treffen sich und reden übers Leben. Es wird von den Schauspielern viel improvisiert. Die einen kennen die Geschichten von den anderen nicht. Diese Methode habe ich schon vor zehn Jahren in „Three Wise Men“ angewandt – und jetzt wieder.

Sie sind schon sehr lange in der Filmbranche. Wie wird sich diese nun aus Ihrer Sicht verändern?

Mika Kaurismäki: Es ist traurig, wenn es so wäre, aber es kann sein, dass sich die Leute daran gewöhnen, Filme zu Hause anzusehen. Das macht mir schon ein bisschen Angst. Aber ich hoffe das Beste, denn Filme gibt es schon seit hundert Jahren, und sich einen Film gemeinsam anzuschauen, hat noch immer etwas Magisches.

Gehen Sie selbst gern ins Kino?

Mika Kaurismäki: Ja, ich habe kleine Kinder, daher habe ich in den letzten Jahren viele Kinderfilme gesehen. Wir besitzen seit 30 Jahren auch ein Kino in Helsinki. Früher sah ich zwei Filme pro Tag im Kino. Das ist seltener geworden.