Es ist eine vielstimmige Liebeserklärung an den Radiosender Ö 1 und seine Macherinnen und Macher. Im Dokumentarfilm „Gehört, gesehen“ setzen Jakob Brossmann und David Paede der intellektuellen Enklave im Funkhaus, der Langsamkeit abseits digitaler Hast ein Denkmal. Ihr Radiofilm ist ein Plädoyer für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk – differenziert, widerspenstig, ohne sich in den Dienst der Anliegen des Senders zu stellen.


„Es war uns ganz wichtig, nicht die Radioproduktion abzufilmen, sondern Geschichten zu erzählen: über die Menschen, die hier arbeiten und die sich den Herausforderungen stellen, vor denen Medien grundsätzlich stehen“, erklärt Brossmann.


Die Klugheit, der Witz und die Liebenswürdigkeit stecken im Detail: Zuschauer sehen, wie eine Reinigungskraft irrtümlich einen falschen Knopf im Studio drückt, erleben beim Einsprechen der Signation, auf wie viele Arten man „Guten Morgen, Österreich“ sagen kann, und erahnen in zahlreichen Redaktionssitzungen den Kern eines unabhängigen Journalismus: sich Themen perspektivenreich, faktenorientiert und sensibel zu nähern. Jedes Wort wird nicht nur immens geschätzt, sondern auf die Waagschale gelegt. Viele Zitate dieser Doku wären reif, auf Postkarten, T-Shirts oder Häferl gedruckt zu werden.


Paedes Lieblingszitat lautet: „Warum können gute Dinge nicht so bleiben, wie sie sind?“ Diesen Satz verliest Ö-1-Chef Peter Klein vom Hörer-Feedback. Brossmann nennt seines: „Ich weiß nicht, wie man das löst, ich bin aber dafür, es zu tun.“ Das treffe, sagt er, schön auf den Stand vieler Debatten zu, die wir im Moment führen.


Die Filmemacher enterten den Kultursender, dem der Radiotest täglich rund 660.000 Hörer (ab zehn Jahren) ausweist in Zeiten großer Veränderungen: politisches Gezerre um den ORF, schwindende Marktanteile, Umzug (2022 muss die Belegschaft auf den Küniglberg wechseln), Echokammern, ein neues ORF-Gesetz und die Frage, wie denn der ORF künftig finanziert werden soll.

Alles neu zum 50er


Zweieinhalb Jahre begleiteten die beiden den Sender durch einen heiklen Umbruch: den Relaunch. Im Zuge des 50-jährigen Jubiläums wurden das grafische und das akustische Design neu arrangiert und die Schemareform umgesetzt. „Wir sind voller Neugierde an das Projekt gegangen und haben uns angesehen, was den Sender hinter der ominösen Funkhaus-Fassade beschäftigt“, sagt Brossmann. Nachsatz: „Wo die Notwendigkeit besteht, alte Strukturen aufzubrechen und sich weiterzuentwickeln.“
Erstaunlich ist, wo den beiden überall Zugang gewährt wurde: Sie haben 56 interne Sitzungen mitgefilmt, Moderatoren in der Rauchpause gefilmt, Prominente wie Karl Markovics beim Einlesen begleitet oder schnappten am Tag der Nationalratswahl im „Wahljournal“ folgenden – druckreifen – Satz auf: „Der Wahlkampf ist vorbei und das ist auch schon eine gute Nachricht.“ Nur ein Ort blieb ihnen verwehrt: die Betriebsversammlung. Dort dürfen nur Betriebsmitglieder dabei sein. „Ich denke, dass Ö 1 in dem Projekt eine Möglichkeit sah, den Österreichern, die ja Eigentümer des Senders sind, Rechenschaft abzulegen“, so Paede.

Karriere dank Ö 1


War das auch der Ansatz hinter dem Film – den Menschen zu erklären, was öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausmacht? „Es ging uns darum, zu zeigen, dass Nachrichten und qualitätsvolle Inhalte nicht im luftleeren Raum entstehen, sondern dass es konkreter Rahmenbedingungen bedarf“, sagt Paede. Und Brossmann ergänzt: „Der Markt alleine ist nicht in der Lage, eine solche Qualität zur Verfügung zu stellen.“ Universitäten, Spitäler, Schulen, Theater und Konzerthäuser: „Es geht um all diese Orte, die ein Stück weit außerhalb des Marktes stehen und uns allen gehören“, sagt Brossmann. Und: „Man kann Ö 1 einfach nur dankbar sein, dass man Interessen bei sich selbst entdeckt, von denen man gar nicht angenommen hat, dass sie existieren.“


Mehr noch: „Wahrscheinlich bin ich wegen dieses Senders Dokumentarfilmer geworden – wegen der Art und Weise, an Themen heranzugehen und auf sie hinzuschauen“, so Paede. In diesem Sinne: Danke, Ö 1!