Seit Jahrzehnten ist Jeremy Irons auf Bühne und Leinwand zu sehen. Dabei machte er sich vor allem als Charakterdarsteller einen Namen. Am Heute (19.9.) feiert der Mann mit der sexy Stimme seinen 70. Geburtstag.

"Schauspielen ist seltsam, weil zur Hälfte du es bist, und zur Hälfte die Rolle die du spielst", sagte Jeremy Irons dem "Telegraph" einmal. Völlig loszulassen, das sei schwer. Dabei hat der Schauspieler durchaus den Ruf eines Lebemanns und Herzensbrechers. Auch ein paar Laster genießt er: "Ich mag Regeln nicht und breche so viele wie möglich", sagte er der "New York Times".

Heute lebt Irons an drei verschiedenen Orten. Er hat ein Haus in London, eines in Oxfordshire und eine irische Festung aus dem 15. Jahrhundert. Das sogenannte Kilcoe Castle hat er selbst wieder hergerichtet. Die Heimeligkeit ist Irons offenbar ein Bedürfnis. Auf Tour verleiht er seinen Hotelzimmern nach eigener Auskunft mit selbst mitgebrachten Stoffen eine eigene Note. "Ich bin oft mit Schals verreist, die ich in Hongkong gekauft habe", sagte er der "New York Times": "Wunderbar bestickt. Und ich drapiere sie einfach über alles."

Geboren wurde Irons auf der südenglischen Isle of Wight in eine Familie der gehobenen Mittelklasse. Mit sieben wurde er auf eine Privatschule für Buben in Dorset geschickt. Je älter er werde, sagte er kürzlich, desto mehr realisiere er, "welche Wirkung die erste Nacht im Internat auf mich hatte, weit weg von zu Hause".

Aus dem Schulabschluss wurde nichts. Ein Versuch als Sozialarbeiter scheiterte. Weil ihm das Zirkusleben zwar reizvoll, aber zu ärmlich erschien, zog ihn stattdessen das Theater an. So besuchte er die Schauspielschule Old Vic in Bristol. "Ich liebte es, dass wir um zehn Uhr aufstehen konnten und um zwei Uhr ins Bett gingen, also mit den anderen nicht synchron waren. Ich liebte die Gerüche, ich liebte die Einstellung."

Seine Ausbildung finanzierte er mit Antiquitätenhandel. Als Ziel setzte er sich damals, bis spätestens zum 30. Geburtstag den Durchbruch zu schaffen. Mit 33 klappte es endlich, als er im Oktober 1981 nicht nur die Hauptrolle in der britischen Fernsehserie "Wiedersehen mit Brideshead" sondern auch im Kinofilm "Die Geliebte des französischen Leutnants" an der Seite von Meryl Streep spielte. Auf einmal zierte sein Gesicht die Titelblätter der Sonntagszeitungen.

Auf der Leinwand mimte er oft Charaktere, die - wie er selbst - wohlerzogen waren, doch auch gefühlskalt und raffiniert. Die Rolle des ewigen Gentleman holte ihn in seiner Karriere immer wieder ein. Womöglich auch deshalb hat Irons trotz vierzigjähriger Ehe und zweier Söhne mit der irischen Schauspielerin Sinéad Cusack heute einen Ruf als Frauenheld.

1990 gewann er den Oscar für seine Rolle als Claus von Bülow in "Die Affäre der Sunny von B.". Auf der Bühne und im Fernsehen war er gleichermaßen erfolgreich. So wurde ihm die für Schauspieler seltene Erfahrung zuteil, mit einem "Emmy" und einem "Tony" ausgezeichnet zu werden.

Mit seiner Rolle in der Neuverfilmung von Nabokovs "Lolita" ging er 1996 ein Risiko ein, um den Übergang zu vielschichtigeren Rollen zu schaffen. Er sorgte für Aufregung mit der Bemerkung, dass einige Opfer von Kindesmissbrauch es schafften, ein völlig glückliches Leben zu führen. Im "Telegraph" sagte er: "Ich schäme mich nicht, den Film gemacht zu haben."

In den darauffolgenden Jahren arbeitete er kaum noch beim Film und widmete sich stattdessen der Renovierung seiner Festung. Inzwischen ist er längst zurück im Geschäft.

Zuletzt stand er in diesem Frühjahr mit "Eines langen Tages Reise in die Nacht" von Eugene O'Neill im Londoner Westend und in Kalifornien auf der Bühne. Gerade ist sein Film "An Actor Prepares" über eine abenteuerliche Vater-Sohn-Reise herausgekommen. Und im kommenden Jahr wird er in der HBO-Superhelden-Serie "Watchmen" zu sehen sein - außerdem möglicherweise in Ben Afflecks "The Batman" als Butler Alfred.

Dem "Belfast Telegraph" erzählte er, wie er die freie Zeit nutzt: Er entspanne in seinem Garten, beim Motorradfahren und Segeln. "In meinem Alter fängst Du an, daran zu denken, dass es nicht mehr so viele Sommer geben wird, also mache ich besser das Beste daraus."