Beim Filmfest Cannes stehen die Zeichen in diesem Jahr auf Umbruch. Mit der Eröffnung der 71. Ausgabe und der Premiere von "Everybody knows" des iranischen Oscarpreisträgers Asghar Farhadi ist am Dienstag in Anwesenheit der beiden Hauptdarsteller Penelope Cruz und Javier Bardem ein Festival gestartet, in dem vieles anders sein wird als in den Vorjahren.

Keine Selfies auf dem roten Teppich, keine Netflix-Produktionen und keine Vorab-Vorführungen für die Presse wird es geben. Auch die Folgen des Skandals um Hollywood-Mogul Harvey Weinstein werden spürbar sein. So viele Neuerungen sorgen für Unruhe.

Sogar für so viel, dass Festivalleiter Thierry Fremaux kurzfristig zu einer Pressekonferenz einlud, um die Wogen vor dem Start wenigstens etwas zu glätten. Die Anspannung war ihm deutlich anzumerken. "Die ganze Welt hat sich seit letztem September verändert", sagte Fremaux in Hinblick auf Weinstein.

Telefon-Hotline für Opfer sexueller Übergriffe

Beim Filmfest in Südfrankreich wird es nun erstmals eine Telefon-Hotline geben, bei der sich Opfer von sexuellen Übergriffen melden können - Weinstein soll auch in Cannes mindestens eine Schauspielerin missbraucht haben.

Das umstrittene Selfieverbot verteidigte Fremaux vehement. Selfies seien furchtbar und lächerlich. "Darauf sieht man immer hässlich aus!" Überhaupt gehöre er zur alten Generation, sagte der 57-Jährige.

Er wolle lieber Zeitung als den Kurznachrichtendienst Twitter lesen - und begründete damit eine weitere Neuerung, die viele Medienvertreter ärgert: Die über 4.000 akkreditierten Journalisten werden die Filme erstmalig nicht vor den Premieren, sondern frühestens parallel dazu sehen. Fremaux will so die Galas bedeutender machen. Journalisten hingegen befürchten, dass dies ihre Arbeit massiv erschweren wird.

Am Dienstagabend aber stand dann erst einmal die Eröffnung auf dem Programm: Der iranische Oscarpreisträger Asghar Farhadi brachte "Everybody knows" an die Croisette - und seine beiden Hauptdarsteller Penelope Cruz und Javier Bardem. Cruz spielt in dem Psychothriller eine Mutter, die nach langer Zeit in ihre spanische Heimat zurückkehrt. Dort jedoch verschwindet ihre Tochter spurlos; es beginnt ein nervenaufreibendes Drama. "Everybody knows" ist nicht nur Farhadis erster Film auf Spanisch, sondern auch der erste von 21 Beiträgen im Wettbewerb.

Jurypräsidentin Cate Blanchett freut sich dort auf spannende Diskussionen mit den acht anderen Mitgliedern der Jury. Wie sie am Dienstag vor der Eröffnung betonte, hofft sie, dass die Goldene Palme an einen Film gehen wird, der "alles enthält" und damit die Leistung aller Beteiligten würdige. US-Schauspielerin Kristen Steward ergänzte: "Ich hoffe, dass uns der Gewinnerfilm tief bewegt."