Vor dem Kinostart des Erik-Schinegger-Biopics, in dem der aktive Rettungssanitäter die Lebensgeschichte des intersexuell Geborenen nachzeichnet, der vor seiner Operation 1966 Abfahrtsweltmeisterin bei den Damen wurde, sprach die APA mit Freistätter über die Gefühle, mit 27 Jahren einen Maturanten zu spielen, seine Beschäftigung mit dem Thema Intersexualität und darüber, was er seinen Eltern verheimlicht.

Wo sehen Sie sich gerade in Ihrer Karriere? Von außen hat man den Eindruck, sie starten von 0 auf 100 durch mit vier Kinofilmen, die derzeit am Start sind...

Markus Freistätter: 2017 war extrem toll, und ich hoffe natürlich, dass es so weiter geht - aber ich bin jetzt mal sehr vorsichtig. Ich habe meine Ausbildung ja erst vor zwei Jahren abgeschlossen, und man weiß nie, was kommt.

Und dann haben Sie bei Ihrer ersten Kinohauptrolle mit Erik Schinegger gleich eine lebende Person auf der Leinwand verkörpert. War das eher eine Belastung oder eine Erleichterung für Sie?

Freistätter: Es war einerseits toll, jemanden zu spielen, dessen Geschichte von einem selbst so weit weg ist. Genau das möchte man als Schauspieler schließlich machen. Dass Erik lebt, war aus Sicht des Schauspielers zugleich Vor- wie Nachteil: Ich konnte ihn einerseits bei Fragen immer anrufen. Auf der anderen Seite hatte ich natürlich noch größeren Respekt und bin behutsamer an meine Interpretation herangegangen, als wenn Erik eine Figur gewesen wäre, die vor 200 Jahren gestorben ist. Seine Lebensgeschichte beschäftigt ihn schließlich sehr und ist sehr emotional für ihn. Insofern war es für mich ein Geschenk, dass ich mich ein Jahr auf die Rolle vorbereiten konnte.

War Ihnen das Thema Intersexualität zuvor schon vertraut?

Freistätter: Ich habe von Erik Schinegger gewusst, aber eher als einen der Teilnehmer der "Dancing Stars". Als ich dann eine Einladung zum Casting von Nicole Schmied bekam, habe ich mich so gut wie möglich eingelesen. Ich bin dann auch zu Treffen von Intersexuellen in Wien gegangen.

Sind Ihnen die damaligen Reaktionen der Gesellschaft auf einen intersexuellen Menschen, der Umgang von Erik Schinegger selbst damit durch die Dreharbeiten verständlich geworden, oder bleibt ein gewisses Enigma?

Freistätter: Es ist immer auch klar gewesen, dass Erik aus einer anderen Zeit kommt und die Umstände damals in einem Kärntner Dorf andere waren als heute. Hinzu kommt, dass er mit seinem Beruf sehr in der Öffentlichkeit stand. Ich weiß nicht, ob sich etwas verändert hätte, wären damals an den entscheidenden Stellen im Österreichischen Skiverband (ÖSV) andere Menschen gesessen. Verständlich für mich ist, wie Erik damit umgegangen ist. Seine Familie, die Gesellschaft in Kärnten und der ÖSV waren aber letztlich überfordert.

Wie sehen denn Ihre Karrierewünsche aus? Zielen Sie eher aufs Kino oder aufs Theater?

Freistätter: Ich möchte alles machen, querfeldein, was geht. Ich bin froh, wenn ich arbeiten darf. Ich liebe das Theater genauso wie den Film und spiele mit Waltraut Haas bei den Wachaufestspielen im "Mariandl" genauso gerne wie für das Kino.

Für Ihren Beruf nach Deutschland zu gehen, könnten Sie sich vorstellen?

Freistätter: Auf jeden Fall. Ich bin jetzt nicht derjenige, der schreit: Ich will nach Amerika. Ich bin da eher am deutschsprachigen Raum orientiert.

In Hollywood bliebe Ihnen halt auch meist nur die Rolle des Nazis.

Freistätter: Witzig, dass Sie das sagen, weil - aber nein, ich sage lieber nichts...

Zumindest über die André-Heller-Verfilmung "Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein" können wir doch sprechen, die ist ja schon angekündigt...

Freistätter: Aber auch, welche Rolle ich da spiele? Ich sage lieber nichts dazu (lacht). Ich bin da unheimlich korrekt. Als ich erfahren habe, dass ich für "Erik & Erika" die Rolle bekomme, habe ich selbst gegenüber meinen Eltern noch geschwiegen, weil die Förderung noch nicht durch war. Mein Vater hat es dann aus der Zeitung erfahren.

Dann schauen wir doch kurz auf Ihr Engagement abseits des Schauspielerberufs. Sie sind unter anderem auch als Rettungssanitäter tätig. Wie sind Sie dazu gekommen?

Freistätter: Den Rettungsdienst habe ich angefangen, als es bei mir im familiären Umfeld einen Unfall gab und ich als 14-Jähriger nicht wusste, was zu tun ist. Und dieses Gefühl wollte ich nie wieder haben. Ich arbeite nun schon seit sieben Jahren als Rettungssanitäter. Man lernt Menschen kennen und bekommt wieder Kontakt zur Realität. Wir klammern in unserem Leben den Tod weitgehend aus - das geht als Sanitäter nicht.

Apropos Tod: Sie spielen in Dominik Hartls Horror-Thriller "Die letzte Party deines Lebens", der Ende März anläuft, als 27-Jähriger einen Maturanten. Ist das frustrierend, wenn das vom Gesicht her immer noch geht?

Freistätter: Wenn man mich rasiert, schlafen lässt und die Maske gut ist, geht das. Aber ich denke gar nicht so viel über das Alter nach. Reden wir in zehn Jahren nochmal. Dann finde ich es in jedem Falle gut, sollte ich noch einen 18-Jährigen spielen können. (lacht)