Eine mögliche Zukunft des Kinos war in Venedig auf einer alten Krankenhaus-Insel zu besichtigen. Die Filme dort schaut man mit Kopfhörern und einer Brille, die die Außenwelt abschottet – und man landet mitten in der Welt des Films, in der man frei den Blick schweifen lassen kann: Virtual Reality ist das Stichwort. Das Erzählen in dieser Form steckt zwar noch in den Kinderschuhen. Venedigs Festivalleiter Alberto Barbera glaubt aber so sehr daran, dass er dafür einen eigenen Wettbewerb eingerichtet hat.


Das Hauptaugenmerk lag natürlich auf dem Kino und den Stars wie zuletzt Penélope Cruz und Javier Bardem. Das Hollywood-Glamourpaar stattete dem roten Teppich eine Visite für die Premiere von „Loving Pablo“ ab, der auf recht oberflächliche Weise von Drogenboss Pablo Escobar (Bardem) aus der Sicht seiner Geliebten (Cruz) erzählte. Im Wettbewerb um den Goldenen Löwen wurde derweil mit „Mektoub“ der neue Film vom Abdellatif Kechiche mit Spannung erwartet, der 2013 für das Sex-explizite Liebesdrama „Blau ist eine warme Farbe“ die Goldene Palme gewann.


Mit natürlichen Bildern und der ausführlichen Sexszene zu Beginn denkt man, dass es nahtlos weitergeht wie im vorherigen Film. Dann folgt man einer Freundesclique durch einen südfranzösischen Sommer in den 90ern. In schier endlos ausgespielten Szenen und mit voyeuristisch viel junger Haut im Blick geht es durch Bars, an den Strand und in die Disco: verbindliche Liebe, unverbindlicher Sex. Mit all dem Gerede wird der ausgebuhte Film jedoch zur Anstrengung.


Für spannende Impulse im zum Ende abflauenden Wettbewerb sorgten stattdessen vor allem US-Beiträge: ob Guillermo del Toros visuell kraftvolles Märchen „The Shape of Water“ über die ungewöhnliche Liebe einer Putzfrau zu einem amphibienhaften Wasserwesen. Oder Darren Aronofskys unbehagliche, bedeutungsschwangere Thriller-Tour-de-Force „Mother!“ mit Jennifer Lawrence und Javier Bardem. George Clooney thematisierte in seinem 50er-Jahre-Thriller „Suburbicon“ Rassismus und Vorurteile in einer vermeintlichen Kleinstadtidylle. Beides klang auch in „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ durch, der löwenverdächtig hoch in der Kritikergunst liegt – auch dank Frances McDormand.


Sieht man darüber hinaus vom packenden, libanesischen Beitrag „The Insult“ ab, in dem sich ein banaler Streit zum nationalen Konflikt auswächst, ist das Favoritenfeld dünn.