Anderswo – in Washington oder Brasilia – werden Parlamente gestürmt, um die Demokratie in die Knie zu zwingen. Hierzulande passiert dies bestenfalls aus Sensationslust: Rund 25.000 Schaulustige besuchten Mitte Jänner an nur zwei Tagen das wiedereröffnete Parlament, viele standen bis zu drei Stunden lang Schlange, um die millionenschwere Runderneuerung zu inspizieren.
Etwas Geduld ist beim Besuch des klassizistischen Pseudotempels, eine Hommage des Architekten Theophil Hansen an die Wiege der Demokratie, auch jetzt noch gefragt. Nach flughafenmäßigem Check-in samt Ausweiskontrolle geht es zuerst ins neue Besucherzentrum, von wo aus diverse Rundgänge zu den wichtigsten Orten des Hohen Hauses führen: etwa zum prächtig restaurierten Bundesversammlungssaal, dem von einer Glaskuppel überwölbten Plenarsaal oder zu einzelnen Kunstwerken, die nicht selten mit tieferen Bedeutungen aufgeladen sind.
Das gilt bereits für die Rossebändiger an der Parlamentsrampe, die unsere Volksvertreter dazu ermahnen sollen, die eigenen Leidenschaften zu zügeln. Dass dies in der 140-jährigen Geschichte des österreichischen Parlaments nicht immer gelang, belegen unter anderem ein Schussattentat des Jahres 1911 oder die einst so beliebten Tintenfass-Schlachten. Böse Wiener Zungen behaupten, Pallas Athene, also die Göttin der Weisheit, hätte besser mit Blick zu den Abgeordneten aufgestellt werden sollen, anstatt diesen den Rücken zu kehren.