Sie waren fast zehn Jahre lang Vorsitzender des Kärntner Kulturgremiums, aber – bis auf die Kulturpreisverleihungen – in der Öffentlichkeit nur wenig präsent. Ist das ein gutes oder schlechtes Zeichen für das Kulturklima im Land?
ERICH SCHWARZ: Aufgrund des Kulturförderungsgesetzes ist man für die Landesregierung in beratender Funktion tätig. Wichtig ist mir, ein Kommunikationsklima zu schaffen, um die Probleme des Kunst- und Kulturbereichs bei den Entscheidungsträgern offen ansprechen zu können. Wenn du zu stark in den Medien bist, ist das oft kontraproduktiv. Das Kulturgremium besteht zudem aus acht Fachbeiräten mit 32 Mitgliedern. Mir war es ein Anliegen, vor allem deren Sprecherinnen und Sprecher zu Wort kommen zu lassen. Letztlich ging es mir um den langfristigen Erfolg.

Wo gab es langfristige Erfolge, die Sie für Ihre beiden Funktionsperioden geltend machen können?
Unser größter Erfolg war die Wiedereinrichtung der Kulturabteilung. Von der ersten Sitzung im Jahr 2013 weg haben wir darauf hingearbeitet, dass die Kulturabteilung, die ja davor eine Unterabteilung im Bildungsbereich war, wieder eigenständig wird. Damit haben Kunst und Kultur auch wieder den Stellenwert im Land, den sie verdienen.

Was ist sonst noch gelungen?
Wichtig war uns etwa die Nachbesetzung der Stelle für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum, die der kürzlich verstorbene Dietmar Müller innehatte, mit einer ausgewiesenen Expertin. Ein großes Anliegen war uns auch die zukunftsorientierte Ausrichtung des Projekts CarinthiJa2020. Das war 2016, als die ersten Planungen begannen, nicht so klar. Auch beim Förderwesen hat sich einiges getan. Heute haben wir 3-Jahres-Verträge, die mehr Planungssicherheit geben. Inflationsanpassung ist unser Ceterum censeo, ebenso wie Fair Pay, das ins Regierungsprogramm 2023 bis 2028 aufgenommen wurde. Ein anderer Bereich betraf das Landesarchiv. Die Benutzerfreundlichkeit war dort eher am unteren Level. Das betraf ganz einfache Dinge wie, dass man teilweise Dokumente nicht fotografieren durfte und das Kopieren mit hohen Kosten verbunden war. Archivarbeiter sind ja oft Wissenschaftler, die nicht viel Geld haben. Zudem wurden die im Landesarchiv verankerten Schutzfristen – wie in unserer Resolution empfohlen – geändert. Erfreulich ist auch, dass die Durchführung von Schwerpunktjahren durch Aufnahme ins Regierungsprogramm abgesichert werden konnte.

Für heuer wurde ein Jahr der Volkskultur ausgerufen. Warum hat sich das Kulturgremium noch 2014 gegen ein solches Schwerpunktjahr gesträubt?
Das war unmittelbar nach jener Ära, als sehr viel Geld unter dem Titel "Volkskultur" ausgegeben wurde. So ein Schwerpunktjahr war aus unserer damaligen Perspektive nicht das richtige Signal. Aber grundsätzlich hat die Volkskultur eine wesentliche Bedeutung für das Land und ist auch im Kulturgremium verankert. Heuer ist sie Teil des Schwerpunktjahrs der Begegnung. Es gibt ja nicht nur Volkskultur, die hier vor Ort entstanden ist, sondern beispielsweise auch eine migrantische Volkskultur. 2024 ist ein Schwerpunkt für Fotografie geplant, 2025 für Erinnerungskultur. Das bietet sich 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs an.

In den Haider-Jahren wurde für die Kultur bis zu 36 Millionen Euro ausgegeben. Heute halten wir bei rund 29 Millionen. Wie hoch sollte das Kulturbudget eigentlich sein?
Bei den 36 Millionen versteckten sich manche Förderungen, die man nicht einem Kulturbudget zurechnen hätte dürfen. Allein aufgrund der Inflation sollte das derzeitige Budget zumindest zehn Prozent mehr betragen, denn die Kulturschaffenden haben ja auch erhöhte Mieten und Energiekosten. Auch Fair Pay erfordert zusätzliche Budgetmittel. Eine Erhöhung um zehn Millionen Euro pro Jahr wäre wohl notwendig, wird sich aber kurzfristig nicht leicht umsetzen lassen.

Welche Bereiche sind besonders unterdotiert?
Etwa der Bereich Wissenschaft. Ein Blick über die Grenzen – nach Tirol, in die Steiermark oder nach Oberösterreich – zeigt, wie viel mehr andere Bundesländer in ihre Universitäten investieren. Da wäre Nachholbedarf. Ein anderes Beispiel ist die Filmförderung, wo wir eine Verdoppelung für notwendig erachten.

Als Wirtschaftswissenschaftler gelten Sie auch als Verfechter von neuen Wegen in der Kulturförderung. Wie sollten diese aussehen?
Mir ist wichtig, dass Kunst und Kultur öffentlich gefördert werden, aber man sollte auch nach anderen Erlösmöglichkeiten suchen, etwa die Bereiche Kultur und Tourismus stärker verknüpfen. Wir bräuchten einen "Kümmerer" im Bereich des Kulturtourismus, einen Innovator, der Pakete schnürt und Mittel bündelt, so jemanden wie Paco Wrolich, der sich in Kärnten um das Radnetz kümmert. Man könnte auch Leerstände in den Gemeinden Künstlerinnen und Künstlern oder der Jugendkultur zur Verfügung stellen.

Seit fast zehn Jahren ist von der Notwendigkeit einer Kärntner Kulturstrategie die Rede. Warum gibt es die noch immer nicht?
Der Kulturreferent war vor drei Jahren knapp daran zu starten, dann ist Corona dazwischengekommen. Das Kulturgremium hat einen umfangreichen Empfehlungskatalog erarbeitet, wie Kulturschaffenden, die von der Pandemie besonders betroffen waren, geholfen werden könnte. Jetzt ist das Thema Kulturstrategie im neuen Regierungsprogramm verankert. Es gibt gute Vorbilder in Niederösterreich und Salzburg.

Was wären die Ziele einer solchen Strategie?
Oberstes Ziel muss sein, den Kunst- und Kulturbereich insgesamt zu stärken, Schwerpunkte zu setzen und zu schauen: Welche Bedeutung haben beispielsweise Festivals für das Land? Wo investiert man zusätzliche Mittel, worauf muss man kritischer schauen? Wobei ich in Kärnten keinen Bereich sehe, der überfördert wäre.

Wo waren Sie bisher einsamer Rufer in der Kulturwüste?
Zum Beispiel bei unserer Forderung nach einem Programmkino mit mehreren Sälen. Das Klagenfurter Volkskino mit seinem Minisaal müsste ausgebaut werden. Wir haben uns auch intensiv mit der Bodenversiegelung, den Chaletdörfern und der Seenverbauung auseinandergesetzt. Ähnlich wie in Südtirol wurde die Einrichtung eines Gestaltungsbeirats eingefordert. In Spittal gab es bereits eine erfolgreiche Platzgestaltung mit Unterstützung eines solchen Beirats samt Bürgerbeteiligung. Der neu gewählte Bürgermeister behübscht jetzt eigenmächtig diesen Platz. Da melden wir uns zu Wort.

Sie haben drei Kulturreferenten erlebt. Mit wem war die Zusammenarbeit am produktivsten?
Mit Landesrat Waldner habe ich nur ein Jahr lang zusammengearbeitet, er hatte eine starke Kulturaffinität. Mit Landesrat Benger haben wir uns zusammengerauft. Er musste aufgrund der Heta-Krise ein immer geringer werdendes Kulturbudget verantworten. Letztendlich hat aber auch die Zusammenarbeit mit ihm gut funktioniert. Landeshauptmann Kaiser ist sehr konsensorientiert. Es gibt keine Plenarsitzung, zu der er nicht kommt und wo er nicht Rede und Antwort steht. Das ist schon eine ganz besondere Wertschätzung für das Gremium.

Sie haben bzw. hatten viele ehrenamtliche Funktionen im Land. Welchen Stellenwert hat für Sie Ihr Vorsitz im Kulturgremium?
Ja, ich war im Wirtschaftspolitischen Beirat, Vertreter des Landes in der Fachhochschule und durfte den Forschungsteil bei der Entwicklung des Energiemasterplans leiten. Neben meinem Vorsitz im Beirat des Gründerzentrums "build!" ist jener im Kulturgremium für mich die spannendste Funktion, vielleicht auch weil es meinem Fach Innovationsmanagement und Entrepreneurship an der Universität Klagenfurt am nächsten kommt. Im Kulturbereich hat man es ja mit lauter Innovatoren zu tun: Sie haben ein Gefühl für Themen, müssen ein Gespür entwickeln, was braucht eine Gesellschaft, wie sind die Problemlagen? Wenn ein Künstler überleben will, muss er letztlich auch Produkte anbieten, für die jemand bereit ist zu zahlen. So gesehen sind sie häufig auch Entrepreneure. Die Verbindung von Kultur und Wirtschaft halte ich für Kärnten ganz wichtig. Kärnten versteht sich als Industrie- und Tourismusland, aber wenn es sich noch stärker als Kulturland positionieren würde, dann hätte das zwei interessante Vorteile: Beim Rekrutieren von gut ausgebildeten Mitarbeitern, für die Kunst und Kultur ein wichtiger Standortfaktor ist und beim Ansprechen neuer Kundensegmente im Tourismusbereich.

In Kärnten gibt es einige neue Kulturplayer – im Landesmuseum, in der Kulturabteilung oder auch im Stadttheater. Sind Sie mit den Neubesetzungen zufrieden?
Es war immer unsere Forderung, dass die institutionalisierte Kultur enger mit der freien Kulturszene zusammenarbeitet. Aron Stiehl ist da wirklich ein Wegbereiter, der das Theater stärker geöffnet hat. Wolfgang Muchitsch hat 20 Jahre das Universalmuseum Joanneum in Graz erfolgreich geleitet und Brigitte Winkler-Komar hat eine überregionale Perspektive. Ich habe es gut gefunden, dass die Leitung der Kulturabteilung nach der Ausschreibung nicht intern besetzt wurde. Wichtig ist uns Transparenz bei diesen Prozessen und dass die früheren Funktionsträger bei der Entscheidung ihrer Nachfolgerinnen und Nachfolger nicht eingebunden werden. Das ist zumindest in der Wissenschaft längst Standard. Mit Wettbewerb und Transparenz bei diesen Entscheidungen kannst du dem Land am besten dienen.

Vergangenen Mittwoch endete die Ausschreibungsfrist für das neue Kulturgremium. Wie sollte das nächste Gremium besetzt sein?
Ein Ziel ist es, vor allem junge Menschen zu gewinnen. Für sie ist es aber oft schwierig, weil ehrenamtliche Tätigkeit für das Land viel Zeit benötigt und finanziell wenig bis nichts bringt.

Wie hoch sind eigentlich die Sitzungsgelder?
Da geht es vielleicht um 30 Euro. Genau kann ich es Ihnen gar nicht sagen, weil ich nie eines in Anspruch genommen habe. Das galt auch für meine anderen Funktionen im Land. Ich zahle sogar mein Parkticket selber. Ein Großteil der Mitglieder hält das so wie ich.