Der Roman "Fremde Federn" handelt von Tom, der in einem Start-up, das mit Mehlwürmern experimentiert, Karriere macht und sich gleichzeitig um seine pflegebedürftige Großmutter kümmert. Wie sind Sie auf die Idee mit der Wurmfarm gekommen?
ALINA LINDERMUTH:
Bei meiner Herangehensweise war mir die Perspektive wichtig. Ich wollte den Protagonisten so ansetzen, dass er zwei sehr unterschiedliche Welten erlebt, um einen starken Kontrast zu erzielen. Von den Wurmfarmen habe ich gelesen und Lust bekommen, in ein komplett neues Thema einzutauchen.

Apropos Perspektive: Ihre Hauptfigur ist männlich. Warum keine Frau?
Ich wollte es ausprobieren – aus experimenteller Freude heraus. Wieder war es eine Frage der Kontraste. Aber es war mir ein Anliegen, die Pflegesituation so darzustellen, wie sie in den meisten Fällen aussieht. Nämlich weiblich.

Was war beim Schreiben zum Thema Pflegesituation für Sie am schwierigsten?
Schwierige Frage (denkt nach) ... Im Nachhinein war die Herausforderung, dass die Schwere des Themas das Buch nicht schwer macht. Es soll kein Schönreden einer Situation sein. Es war eine Gratwanderung. Wie viel Humoristisches darf vorkommen, wie viel Ernstes ...

Sie sind Unternehmensberaterin, kennen die Start-up- und die junge Arbeitswelt-Szene. Wie schaut Ihr Arbeitsalltag aus?
Ich war die letzten Jahre bei einer großen Strategieberatung tätig. Inzwischen habe ich mich selbstständig gemacht. Jetzt überschneiden sich meine Welten, indem ich Creative Writing und Storytelling für Unternehmen anbiete.

Was kann man sich darunter vorstellen?
Ich arbeite mit einer Methode, die ich selbst beim Schreiben verwende. Die fußt wiederum auf "design thinking", was ich bei der Unternehmensberatung gelernt habe. Mein Arbeitsalltag sieht so aus, dass ich mich, seitdem das Buch heraußen ist, viel um meine Firma, das "Beraterische" kümmere. Umgekehrt brennt mir schon die nächste Idee unter den Nägeln und Richtung Herbst werde ich wieder zum nächsten Buch gehen. Ich versuche das ganz klar aufzuteilen – ein Tag ist für das, der andere für das reserviert.

Was lernt man in Ihren Kursen?
Aktuell arbeite ich hauptsächlich mit "Human Resources" und "Strategie und Vision". Dabei schreibe ich mit den Mitarbeitern Geschichten zu einem Thema, lektoriere sie und gebe sie an die Führungskräfte weiter, damit diese Geschichten ihren Weg zu potenziellen neuen Mitarbeitern finden. Ich bin der Überzeugung, dass die wirklich guten Geschichten, die mir als neue Arbeitnehmerin helfen würden, nicht von der Chefetage, sondern von den Menschen kommen, die seit Jahren ambitioniert für ein Unternehmen arbeiten. Die Leute sind ja oft kreativ total unterfordert. Uns fehlen mehr denn je positive Zukunftsnarrative, nicht nur auf politischer oder wirtschaftlicher Ebene, sondern auch auf dieser mikroökonomischen Ebene, dass einfach positive Bilder fehlen, anhand derer man sich vorstellen könnte, wo es eigentlich hingehen sollte.

Wie kamen Sie zum Schreiben? Sie haben als Schülerin einmal beim Junior-Bachmann-Wettbewerb gewonnen?
Die frontale Berieselung in der Schule hat mich oft gelangweilt. Da habe ich das Schreiben für mich als Spielwiese entdeckt. Es hat im Unterricht ausgeschaut, als ob ich mitschreiben würde, aber eigentlich habe ich schriftliche Skizzen gemacht, über das, was mich beschäftigt hat. Ich habe noch heute einen Koffer voll mit solchen Heften. Nach der Matura war ich einige Monate in Indien. Dort habe ich das Schreiben als wichtigste Ausdrucksform für mich entdeckt, weil ich so überfordert war. So konnte ich reflektieren, einordnen, verarbeiten.

Da waren Sie ja auf den Spuren Josef Winklers unterwegs.

Ich hab' sein Buch "Roppongi" sogar mitgehabt und in Varanasi, wovon es ja auch handelt, gelesen.