Für Mathis Huber ist es „eines der Kinder von 2003, ein lebendiges Relikt“. Und das Kind ist somit auch schon 20 Jahre alt. Der große Erfolg des Osterfestivals Psalm im Kulturhauptstadtjahr mit 18 Veranstaltungen und 6600 Besuchern hatte den dafür verantwortlichen Styriarte-Intendanten „große Lust auf eine Fortsetzung“ gemacht, wie er damals sagte. Und diese Lust ist auch heute noch zu spüren.

„Was ist Wahrheit?“. Das erwidert laut Johannes-Evangelium Pontius Pilatus auf die Bemerkung Jesu, in die Welt gekommen zu sein, um „Zeugnis für die Wahrheit“ abzulegen. Um das Thema Wahrheit kreist die heurige Ausgabe des Festivals, das sich – traditionell in der Karwoche angesiedelt – wie immer auch mit Ende und Neubeginn beschäftigt, nicht nur in religiösem Sinn.

Das Kernstück des Festivals, das obligat sieben Veranstaltungen bietet und mit 180.000 Euro budgetiert ist, fällt diesmal auf den Karfreitag. Zu hören ist die „Passio Domini nostri Jesu Christi secundum Joannem“ von Arvo Pärt aus dem Jahr 1982. Allerdings in einer Uraufführung. Wie das? Der estnische Komponist, dessen magische Klänge aus der Askese schöpfen, hat für das famose Raschèr Saxophone Quartet eine eigene Fassung geschrieben, die Vier ersetzen Geige, Cello, Oboe und Fagott, nur die Orgel bleibt. Franz M. Herzog wird samt seinem Vocalforum Graz und sechs exquisiten Solisten das auratisch Sakralwerk in der List-Halle erstrahlen lassen.

Dort finden – nach dem Festivalauftakt im Palais Attems speziell für die Kleinen mit „Des Kaiser neue Kleider“ – fünf weitere Abende statt. Mit Fazil Say konnte man einen Weltstar gewinnen; der aus der Türkei stammende Pianist und Homo politicus wird „das metaphysische Wunderwerk, die wunderbare Schlafmusik“ spielen, wie Mathis Huber Bachs „Goldbergvariationen“ sieht.

Die Sami-Sängerin Ulla Pirttijärvi und der Multiinstrumentalist Albin Paulus denken gemeinsam und doch ganz unterschiedlich über Rousseaus Diktum „Zurück zur Natur“ nach. Die Vienna Clarinet Connection zückt mit Mozarts freimaurerischer Musik „Der Wahrheit heil’ge Waffen“. Ein Quartett um den Tiroler Sänger und Bläser Peter Rabanser zeigt, warum „In vino veritas“ ist. Und das Ensemble Arthouse 17 des Cembalisten Michael Hell überprüft mit der Kurzfassung von Händels erstem Oratorium „Il trionfo del Tempo e del Disinganno“ Dornen und Rosen, Schönheit, Tugend und natürlich... Wahrheit(en).