Das Wort des Jahres lautet also "Inflation". Wie es vor zwei Jahren in der Corona-Pandemie Albert Camus Jahrzehnte nach seinem Tod mit "Die Pest" auf die Spitze der Bestsellerliste geschafft hatte, müsste es jetzt eigentlich Stefan Zweig 70 Jahre nach seinem Tod mit "Die Welt von Gestern" tun. In keinem Werk der Weltliteratur ist der Horror der Geldentwertung eindringlicher beschrieben.

Dabei geht es im ersten Kapitel "Die Welt der Sicherheit" ganz idyllisch los, wenn Zweig die "ungierige Natur" seines Vaters und dessen ökonomisches Credo "Safety first" beschreibt: Ihm war es wichtiger, ein solides Unternehmen mit eigener Kapitalkraft zu besitzen als es durch Bankkredite ins Großdimensionale auszubauen. "Daß zeitlebens nie jemand seinen Namen auf einem Schuldschein, einem Wechsel gesehen hatte und er nur immer auf der Habenseite seiner Bank – selbstverständlich der solidesten, der Rothschildbank, der Kreditanstalt – gestanden, war sein einziger Lebensstolz.

Jeglicher Verdienst mit auch nur dem leisesten Schatten eines Risikos war ihm zuwider. Durch all seine Jahre beteiligte er sich niemals an einem fremden Geschäft" und betrachtete "jemanden schon als bedenklichen Verschwender, der unbesorgt die Hälfte seiner Einkünfte aufzehrte." Um "an die Zukunft denken und Gewinne zurücklegen zu können", musste man freilich auch in der Epoche steigender Prosperität" zunächst einmal Gewinne machen – damals, als „der Staat nicht daran dachte, auch von den stattlichsten Einkommen mehr als ein paar Prozent an Steuern abzuknappen“ und umgekehrt "hohe Verzinsung“ geboten wurde – anders als „in den Zeiten der Inflation" – Wort des Jahres! – "wo der Sparsame bestohlen, der Solide geprellt wird."

Stefan Zweig musste die Erfahrung machen, dass solche Zeiten über einen einfach hereinbrechen können und man macht- und wehrlos dagegen ist. Und die Zeiten der Spekulanten, Hasardeure, Börsenhaie kamen, als man mit dem Geld, für das man in der Früh ein Auto bekam, abends nicht einmal mehr die Zeitung kaufen konnte. Viele verarmten, manche profitierten, nämlich die, die in der Früh Autos kauften mit geliehenem Geld. Aber auch die konnten ihr Auto abends nicht mehr auftanken... Es sind schon Schuldnerberater und Finanzoptimierer Pleite gegangen...

Freilich sollte man auch Stefan Zweig niemals ohne Campino und die Toten Hosen zitieren: "Alles wird vorübergehen. Die gute und die schwere Zeit - Nichts bleibt jemals stehen..."