Hühner hat sie schon, seit­dem sie zwölf ist, jedes ein­zel­ne nennt sie beim Namen. "Ein­mal in der Woche gehe ich zum Rat­schen zu ihr", er­zählt der Künst­ler Edwin Wie­ge­le über seine Nach­ba­rin, eine der Por­trä­tier­ten aus sei­nem in drei Jah­ren ent­stan­de­nen Do­ku­men­tar­film, der kom­men­den Sonn­tag in ORF III aus­ge­strahlt wird.

Wie­ge­le, der seit Jah­ren im jahr­hun­der­te­al­ten Pflegehaus in Haim­burg lebt und ar­bei­tet, ist bil­den­der Künst­ler, Ga­le­rist, Fo­to­graf, Mu­si­ker, Fil­me­ma­cher, 28 Jahre lang war er Kunst­er­zie­her. Als Per­fek­tio­nist und Au­to­di­dakt tüf­telt er so lange an Tech­nik und In­halt, bis alles passt. Er dreh­te, schnitt und ko­lo­rier­te sei­nen Film selbst, ließ Droh­nen für poe­ti­sche Land­schafts­auf­nah­men flie­gen und lud den Mu­si­ker und Päd­ago­gen Franz Stei­ner ein, die stim­mi­ge Film­mu­sik zu kom­po­nie­ren. Ent­stan­den ist so aus einer spon­ta­nen Idee ein Film­do­ku­ment, das Men­schen aus Wie­ge­les Hei­mat­dorf Haim­burg vor die Ka­me­ra holt und sie un­ge­küns­telt und au­then­tisch in ihrer Le­bens­welt zeigt. "Keine Szene wurde ein zwei­tes Mal auf­ge­nom­men, kei­ner der Prot­ago­nis­ten bekam eine Son­der­stel­lung", er­zählt der 67-jäh­ri­ge Maler.

Per­fek­tio­nis­ti­scher Au­to­di­dakt: Edwin Wiegele
Per­fek­tio­nis­ti­scher Au­to­di­dakt: Edwin Wiegele © Weichselbraun Helmuth

Und so kann man der Schau­spie­le­rin Tanja Rau­nig (die Film-Toch­ter von Tat­ort-Kom­mis­sar Ha­rald Krass­nit­zer) beim Nach­den­ken über ihren Beruf zu­hö­ren, einem Har­mo­ni­ka­spie­ler, des­sen Fin­ger bei einem Ver­kehrs­un­fall ge­bro­chen wur­den oder der Hüh­ner­hal­te­rin, die wäh­rend der Ent­ste­hungs­zeit des Fil­mes den Tod ihres "Le­bens­men­schen" ver­kraf­ten muss­te. Diese All­tags­ge­schich­ten à la Wie­ge­le sind, teil­wei­se wegen des star­ken Dia­lek­tes un­ter­ti­telt, das sen­si­ble Por­trät eines dörf­li­chen Mi­kro­kos­mos in Un­ter­kärn­ten. Im Zy­klus der Jah­res­zei­ten stellt Edwin Wie­ge­le Haim­burg und seine Men­schen vor – zu sehen nicht nur am Sonn­tag, son­dern da­nach auch via ORF-Me­dia­thek.