„Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich einmal mit einem Liebesgedicht von mir in einem Dom hängen würde, noch dazu küssend mit meiner Partnerin“, soll Peter Turrini gesagt haben, als er von jener Fahne erfuhr, die ab Aschermittwoch mit seinem Konterfei an der Empore des Klagenfurter Doms prangt. Insgesamt zwölf solcher Stoffbahnen hat Harald Schreiber mit Porträts von heimischen Geistesgrößen versehen und durch Texte von ihnen ergänzt. Auf jener von Turrini ist ein Gedicht an seine Partnerin Silke Hassler zu lesen: „Solange die Existenz und die Lage des Paradieses nicht geklärt sind, halte ich mich an dich“.
All diese Porträts korrespondieren mit zwölf Marmorköpfen, die Schreiber v-förmig im Mittelgang des Kirchenschiffs aufgestellt hat. Gemeinsam stehen sie für das menschliche Individuum, das jene Frage zu stellen scheint, die in metallenen Lettern im Chorraum schwebt: „Wo bist Du?“.

Spätestens seit Auschwitz – und jetzt wieder in der Ukraine – scheint sich diese Frage in erster Linie an Gott zu richten, als bittere Anklage. Doch Harald Schreiber spielt mit der Ambivalenz dieser Frage, angedeutet in einem doppelgesichtigen Januskopf, der dem Dombesucher gleich beim Eingang entgegentritt. „Wo bist Du?“, lautet auch die Frage, die als erste in der Bibel gestellt wird, und zwar von Gott an Adam, der gerade von der verbotenen Frucht gegessen hat und sich aus Scham versteckt hält.

Blickloses Gesicht

„Mensch, wohin hast du dich treiben lassen? Wo bist du – nicht nur körperlich, sondern auch in geistiger Hinsicht?“ Diese zeitlose und zugleich brandaktuelle Frage sollen sich laut Schreiber alle stellen, die während der Fastenzeit den Dom betreten. Für seine Installation, die fast eine kleine Werkschau ist, hat der 70-jährige Görtschitztaler unterschiedlichste Materialien verwendet: Stein, Stahl, Holz, Stoff oder auch Licht, das hoch über dem Volksaltar in wechselnden Farben ein blickloses Gesicht imaginiert. Es sind Materialien, die der vielseitige Künstler auch in seinem Hauptberuf als Architekt, etwa als Planer von großen Hotelprojekten, bestens einzusetzen versteht.

Nach 35 Jahren als Professor an der Wiener „Angewandten“ hat der gebürtige St. Veiter erst jüngst das Institut für Sozialästhetik und psychische Gesundheit an der Sigmund-Freud-Privatuni mitbegründet. „Mit einfachen Worten gesprochen, geht unsere Arbeit davon aus, dass sich Menschen in einer schönen Umgebung besser fühlen und auch gesünder leben“, erklärt der passionierte Hochschullehrer.
Im Klagenfurter Dom hat er dieses Credo bereits umgesetzt. Mit seiner Installation habe er die Kirche zu einem „Ort des Ringens von Gott und Mensch gemacht“, sagt Dompfarrer Peter Allmaier über das gelungene Kunstprojekt, das im Rahmen der Aschermittwochsliturgie von Diözesanbischof Josef Marketz eingeweiht wird.
Livestream (ab 19 Uhr):
www.kath-kirche-kaernten.at