Als sie vor zwei Jahren den Österreich-Pavillon auf der Kunstbiennale von Venedig kuratierte, deutete sie bereits an, auch in ihrer Kärntner Heimat „einmal etwas Besonderes“ auf die Beine stellen zu wollen. Nun nimmt das angekündigte „Herzensprojekt“ konkrete Formen an. Am Samstag lädt Felicitas Thun-Hohenstein zur Auftaktveranstaltung ihres „Mahler Vereins für Musik und Gesellschaft“, den sie gemeinsam mit dem Musikwissenschafter Morten Solvik aus der Taufe gehoben hat, um mithilfe der Bildenden Kunst, der Musik und Wissenschaft „neue Wege des Denkens und Handelns zu erproben“.

Es gehe in ihrem neuen Kärntner Kulturformat nicht um Gustav Mahler oder die Etablierung eines weiteren Musikfestivals, sondern „um die in seinem Werk verankerten Themen“, erklärt die Professorin an der Wiener Kunstakademie, die eine ganz besondere Beziehung zum Komponisten hat: ihrer Familie gehört seit den 1950ern das Komponierhäuschen in Maiernigg, wo Mahler zwischen 1900 und 1907 einige seiner bedeutendsten Werke schuf. Unter dem etwas sperrigen Titel „–I, Nature“ soll hier am Wörthersee und im Klagenfurter Künstlerhaus ein ökologisches Thema verhandelt werden, das auch Gustav Mahler zeitlebens beschäftigte: die „Dichotomie von Mensch und Natur“. Laut Thun-Hohenstein habe Mahler „im Bewusstsein gelebt, dass wir nur Teil eines großen Ganzen sind“. Dies spiegle sich etwa in seinem „Lied von der Erde“ wider, in dem das ewige Werden eine wesentliche Rolle spiele.

Felicitas Thun-Hoheinstein vor dem Mahler-Komponierhäuschen in Maiernigg
Felicitas Thun-Hoheinstein vor dem Mahler-Komponierhäuschen in Maiernigg © Hirtenfelder

Musik und Diskussionen

In Form von musikalischen Darbietungen, Impulsvorträgen, Diskussionsrunden und künstlerischen Interventionen soll an zwei Tagen versucht werden, die „Spaltung zwischen Kultur und Natur, Mensch und Umwelt zu überwinden“ und „zu einer tiefgreifenden Transformation“ zu kommen, „damit wir wieder das Lied in allen Dingen hören können“.
Als prominenten Mitstreiter für dieses hehre Anliegen hat die 57-jährige Kulturwissenschafterin den großen Mahler-Interpreten Thomas Hampson gewinnen können. Der Star-Bariton wird am Samstag im Künstlerhaus gemeinsam mit Susan Zarrabi (Mezzosopran), Jeeyoung Lim (Bariton), John Warner und Mitgliedern des Orchestra for the Earth Mahler-Lieder vortragen. Dazu gibt es Gesprächsrunden mit dem Biologen Andreas Weber, der Philosophin und Künstlerin Elisabeth von Samsonow oder Ulrike Sych, Rektorin an der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst. Am Sonntag folgt dann in Maiernigg eine Matinee mit Mahler-Konzert, einer Lesung von Bachmannpreisträger Thomas Lang und einer mehrteiligen künstlerischen Installation von Nataša Sienčnik.

Als „interdisziplinärer Denkraum, um zentrale Fragen unserer Zeit zu erörtern“, könnte sich das Pilotprojekt künftig zu einer Art „Forum Alpbach am Wörthersee“ weiterentwickeln, glaubt Thun-Hohenstein, die beim Tiroler Original bereits im Kuratorium sitzt. Öffentliche und private Unterstützer für dieses Ziel gibt es bereits.
„Lokal verankert und global ausstrahlend“ wird das neue Kulturformat nicht nur frei zugänglich sein, sondern auch live via Internet ausgestrahlt. Schließlich soll das „Lied in allen Dingen“ auch jenseits von Mahlers Komponierhäuschen hörbar gemacht werden.