Ich bin Sopranistin, Solistin, Einzelkämpferin. Spätestens im März wurde mir klar, dass sich Letzteres ändern muss, denn ab jetzt ist ein gemeinsamer Weg angesagt. Die Problematik der freischaffenden Künstler ist weltweit ähnlich. Der Öffentlichkeit ist oft nicht bewusst, dass die wenigen bekannten Top-Stars nicht repräsentativ für unsre Berufsgruppe sind. Das Alltagsleben eines Opernsängers ist nicht glamourös, sondern ganz normal. Aber ich muss immer einsatzfähig sein. Als Sopran habe ich die Disziplin und Arbeitsethik einer Olympiahochleistungssportlerin, und das tägliche Training ist Voraussetzung für meine darstellerische Leistung.

Die Pandemie verlangt nun nach einem ganz neuen Aktivismus, einer Teamleistung von Sängern, Agenturen und Theatern, wir müssen solidarisch, angstlos und ohne Konkurrenzdenken für die Kultur eintreten. Es hat sich schon einiges getan, siehe die deutsche Initiative „krea(K)tiv“, „ALE“ in Spanien, „Unisson“ in Frankreich, „Assolirica“ in Italien und „stimm-IG“ in Österreich. Wir tauschen Informationen aus, diskutieren die Rechtslage, denn uns ist klar, dass wir uns nur gemeinsam Gehör verschaffen können. Ob wir uns als Gewerkschaft oder als Verband organisieren: das Ziel muss eine dauerhafte und verlässliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen sein. Unser Geschäft ist international, wir gehen bei jedem Engagement in Vorkasse, um Reise- und Unterkunftskosten abzudecken, bekommen aber die Gage oft erst Monate nach der letzten Vorstellung ausbezahlt. Jetzt, wo viele Theater geschlossen sind, heißt das für uns auch dann, wenn wir extra Rollen einstudiert haben: „Keine erbrachte Leistung – kein Geld“.

Wir Künstler ermöglichen dem Publikum dieses einzigartige Erlebnis einer Live-Vorstellung: Die Vibration des Brustkorbes beim Ertönen der Klänge eines Sinfonieorchesters, das spontane herausgekitzelte Lachen einer gut gesetzten Pointe im Schauspiel, den Drang, bei einer bekannten Operette den Refrain mitzusingen: All das kann und darf nicht verloren gehen. Unsere Zivilisation ist auch Dank der Kultur das, was sie ist. Wer kann überhaupt schon leben ohne Bühne, Theater, Musik, ohne Kultur?