Völlig im Dunkeln liegt der von gleißendem Neonlicht umrandete Raum. Während es langsam heller wird, sieht man darin eine erhängte Frau baumeln. Es ist Maria, die Geliebte des Titelhelden, die Selbstmord begangen hat und zu deren Füßen dieser im Finale sterben wird. Daneben steht ein lebendes Pferd, offenbar als mythologisches Symbol für die Begleitung von Seelen in den Tod gedacht: Dieses Anfangs- und Schlussbild von Giuseppe Verdis „Simon Boccanegra“ am Stadttheater Klagenfurt, eine Koproduktion mit der Opéra Dijon und Rouen, ist eine recht plakative Idee von Philipp Himmelmann.

Eine zeitlos gültige Geschichte als Sittenbild des modernen Politikzeitalters
Eine zeitlos gültige Geschichte als Sittenbild des modernen Politikzeitalters © (c) ARNOLD POESCHL

Modernisierungsschub

Der deutsche Regisseur hat dem krausen Libretto von Arrigo Boito um Betrug, Machtgier und zu spät erkannte Familienbande einen gewaltigen Modernisierungsschub verpasst. Er lässt die Geschichte – neben dem „Troubadour“ die verworrenste, die Verdi je vertont hat – in einem düsteren, hässlichen, braungrauen Einheitsraum (Bühne: Etienne Pluss)in heutigen, wenig geschmackvollen Kostümen (Kathi Maurer) spielen. Offenbar will uns der deutsche Regisseur das Zeitlose der Geschichte aus dem 14. Jahrhundert vor Augen führen und ein Sittenbild unseres Politikzeitalters zeigen. Macht steht über Moral.
Die Personenführung insgesamt wirkt teils statisch. Vor allem schafft es Himmelmann kaum, echte Gefühle oder gar Leidenschaften zu vermitteln. Und so lassen Schlüsselszenen wie jene, wo sich Vater und Tochter wiederfinden, oder jene vom Tod des Titelhelden seltsam kalt. Bei beiden Szenen wird entgegen dem Libretto jegliche Nähe zwischen den Figuren völlig vermieden.

Außergewöhnliche Sänger

Die musikalisch wunderbar reife Oper bedarf außergewöhnlicher Sänger. Diese hat man für Klagenfurt gefunden: Vittorio Vitelli verstrahlt als unglücklicher, ehemaliger Korsar nicht nur starke Bühnenpräsenz, sondern vermag auch mit schönem Timbre zu berühren, wiewohl er so manche Lyrismen noch feiner ausformen hätte können. Aber auch sein feindseliger Widerpart ist mit Luciano Batinič als nobler, würdevoller Jacopo Fiesco gut besetzt. Es fehlt ihm jedoch etwas an Bassesschwärze. Robert Watson singt den Gabriele Adorno mit Schmelz und schönen Höhen. Selene Zanetti als Amelia Grimaldi phrasiert innig mit glasklarem Sopran. Von beeindruckender Kraft hört man Csaba Szegedi als finsteren Bösewicht Paolo. Stimmgewaltig singt auch der Chor (Einstudierung: Günter Wallner).
Am Pult des Kärntner Sinfonieorchesters zeigt Nicholas Carter packende Gestaltungskraft bei den dramatischen Szenen. Die feinen Lyrismen wirken jedoch zu zurückhaltend, da hätte man sich einen stärkeren emotionalen Ausdruck gewünscht. – Viel Jubel!