Es sollte der Höhepunkt des dreiteiligen Eröffnungsabends werden: „Augusto“ (2018) des Italieners Alessandro Sciarroni, ein Loblied auf das Zwerchfell, den Ursprung der menschlichen Freude. Leider enttäuscht die Hommage an den Dummen August. Neun Tänzern 60 Minuten beim Lachen zuzusehen, während sie marschieren, spazieren, hüpfen oder laufen, verfehlt die Bedeutung von Humor. Was für ein Irrtum, die Essenz der Clownerie mit extrahiertem Lachen auf den Punkt bringen zu wollen! Entkoppelt von den kleinen Geschichten des Staunens, der Überraschung und Naivität sowie von Missgeschicken, wird das Lachen zum Gelächter degradiert.
Dass Sciarroni auch anders kann, beweist das 20-minütige Duett „Your Girl“ (2007). Darin entspinnt sich anhand eines berührend anti-pornografischen Striptease die Sehnsucht nach Liebe, welche aufgrund von körperlicher Besonderheit und sexueller Orientierung unerfüllt bleibt.
An „Your Girl“ und „Augusto“ offenbart sich die Problematik, den Goldenen Löwen der Tanzbiennale an einen vergleichsweise jungen Künstler zu vergeben. Denn Sciarroni wurde heuer mit nur 42 Jahren diese Auszeichnung für sein Lebenswerk zuteil. Der Ehre für einen Mann in der Lebensmitte haftet ein merkwürdiger Geruch von Endlichkeit an. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob eine dermaßen hohe Anerkennung motivierend wirkt oder als zu hohe Bürde in eine Schaffenskrise führen kann.
Im Gegensatz zum Goldenen wirkt die Vergabe des Silbernen Löwen an den Nachwuchs Théo Mercier und Steven Michel stimmig. Ihr fulminantes Solo „Affordable Solution for Better Living“ (2018) überzeugt mit Tiefgang und Witz. Wie es Choreograf Mercier und Performer Michel verstehen, über das Zusammenbauen eines Regals à la Ikea einen Kosmos vom Ureinwohner über den selbstoptimierten Mann bis zu Cybermenschen zu spannen, ist große Kunst. Davon will man mehr am Lido sehen.