Es war ein veritabler Skandal: Als 1973 beim „Internationalen Musikforum“ in Viktring Friedrich Gulda statt des angekündigten „Wohltemperierten Klaviers“ mit seinem „Anima“-Trio (mit Limpe und Paul Fuchs) improvisierte Musik im Stiftshof erklingen ließ, murrte des Publikums immer lauter, die Menschen verließen protestierend das Konzert. Bis Gulda vorgetreten sein und ins Publikum gefragt haben soll: „Bach? Ein Herr Bach wird gesucht!“ – „Es kam kein Ton Bach damals, es kam nur der Regen, der die Leute vertrieben hat“, erinnert sich Paul Gulda an das Ereignis, das er als Elfjähriger am Bühnenrand miterlebt hatte. „Bei strömendem Regen haben wir uns unter einem Vordach zusammengedrängt wie eine Schafherde, in meiner Nase ist heute noch so ein Geruch von Wollpullovern und Hippiekleidung.“ Paul Gulda, mittlerer der drei Söhne von Kultur-Enfant-terrible Friedrich Gulda und selbst erfolgreicher Pianist, ist Stammgast in Viktring und ab nächstem Jahr künstlerischer Leiter des Festivals. Exakt 45 Jahre nach dem Skandalauftritt seines Vaters lädt er nun zum Eröffnungskonzert des Musikforums unter dem Motto „Play Bach, free Bach“. Mit dabei ist wieder Limpe Fuchs, diesmal mit ihrem Sohn Zoro. Was erwartet das Publikum diesmal?

Muss man sich auch auf Überraschungen wie bei Ihrem Vater damals einstellen?
PAUL GULDA: Man kennt mich nicht als Provokateur. Ich habe wenig Lust darauf, Leute in Rage zu bringen und mich mit ihren negativen Gefühlen auseinanderzusetzen, das macht mir Probleme. Das ist etwas, was mein Vater gut ausgehalten hat, er hat eine dicke Haut entwickelt, auch wenn er sehr sensibel und verletzlich war.

Wie sieht Ihr Bild von Ihrem im Jahr 2000 verstorbenen Vater heute aus?
Unser Vater konnte auch sehr verbindlich und freundlich zu den Leuten sein, aber ich hab ihn so oft brüllen gehört, sogar bei kleinen Anlässen, das hat mich schon schockiert. Ich habe das auch bei anderen großen Künstlern gesehen, dass die irgendwie nachvollziehbar ihr eigenes Ego durch die Gegend schmeißen.

Wie war er als Lehrer?
Handlungsanweisungen waren rar, er war eher ein Professor, ein Vormacher, hat sich lieber hingesetzt und vorgemacht. Könnte er am Samstag dabei sein, würde er nicht im Publikum sitzen bleiben. Er würde auf die Bühne kommen und mitmachen.

Sie holen sich die mehr als 70-jährige Limpe Fuchs und ihren Sohn auf die Bühne. Was haben Sie vor bei diesem Revival?
Die instinkthafte Sicherheit mit der sich die Limpe Fuchs im ganz freien Bereich bewegt, macht mich jedes Mal staunen. Limpes Sohn Zoro wird Klänge elektronisch verfremden. Das soll keine Wiederholung werden, es soll viel mehr eine Handreichung sein. Ich will dem Publikum sagen: Erinnert’s euch noch? Schau’ ma amal, . . . Anders als 1973 muss Herr Bach nicht gesucht werden, er wird da sein. Wir haben eine formale Struktur, ein Gewebe von improvisierter Musik, aus dem Bach herauswächst. Lassen Sie sich überraschen!