Kurz nach diesem Interview machte die traurige Nachricht von Peter Simonischeks Tod die Runde. Den Burgschauspieler hätte gewiss gefreut, dass ihm sein Sohn eventuell an "sein" Haus folgt. Man ist in Gesprächen, wie Max Simonischek uns hier verriet.

Sie haben das Beziehungsdrama "Die Nachbarn von oben" in einem Studio auf 2400 Quadratmetern gedreht. Kam im Studio überhaupt eine Stimmung für ein so vertrautes, intimes Thema auf?
MAX SIMONISCHEK: Das Studio wurde in eine Halle hineingebaut. Im Grunde war es wie auf einer Theaterbühne. Man hat diese betreten und dachte, man steht in einer Wohnung. Das Set an sich war eng und intim wie die ganze Arbeit. Das Ensemble war klein, wir konnten chronologisch drehen. Eigentlich war es wie eine Theaterprobe, wie ein Kammerspiel. Das Set hat das Intime unterstützt.

Kam Ihnen Ihre Bühnenerfahrung entgegen?
Mir kam das entgegen in meinem Bestreben, den Beruf ernst zu nehmen und sich inhaltlich wirklich mit dem auseinanderzusetzen, was stattfindet. Und noch die Zeit und den Raum dafür zu bekommen. Das ist beim Film nicht immer der Fall. Denn Zeit ist beim Film Geld. Wir haben eine Woche geprobt.

Frische Leidenschaft, erschlaffte Beziehungen, gesellschaftliche Konventionen, der Bruch damit, Polyamorie, Frust: Der Film ist reich an Aspekten. Welches Thema stand für Sie im Vordergrund?
Der Film thematisiert etwas, das auch aufs Leben ausstrahlt: Sich von den Beziehungsmodellen zu emanzipieren, die uns an jeder Ecke im Alltag suggeriert werden – von der Politik bis zur Kirche. Es geht darum, herauszufinden, in welchem Begehrungszusammenhang man mit seinem Partner, seiner Partnerin leben möchte. Eine Loslösung von alten Rollenbildern.

Wenn Sie "Die Nachbarn von oben" in eine Schublade stecken müssten. Wäre es eine Tragödie, eine Komödie, ein Drama, etwas anderes?
Wir neigen dazu, alles in Schubladen zu stecken, damit es für uns definierbar wird. Der Film hat komödiantische Anteile, aber es gibt keine Komödie ohne eine Tragödie, die ihr innewohnt. Gerade am Ende des Films gelingt die sanfte Kurve sehr gut, ins Existenzielle abzudriften und in die Tragödie überzuschwenken. Das ist die Qualität: Man benutzt das Komödiantische nur als Vehikel, um spannende, gesellschaftsrelevante Themen zu erzählen, setzt auf Graubereiche und Zwischentöne.

Wir leben in einer Gesellschaft, die als "over-sexed" gilt und trotzdem zu wenig über die sexuellen Bedürfnisse redet. Will dieser Film das ändern?
Das wäre schön, wenn das eine Folge wäre. Ich finde, es geht im Leben überhaupt darum, seine Bedürfnisse zu erkennen, sie für sich zu formulieren, im besten Fall auch seinem Partner gegenüber. Nicht als kategorische Aussage über die Beziehung, sondern als Bedürfnis, um ein glückliches Leben zu führen und das dem Gegenüber auch zu gestatten. Das nennt man "Beziehungsarbeit".

Wie halten Sie es mit Ihren Nachbarn?
Höflich, freundlich. Aber so gehe ich generell durchs Leben. Man grüßt sich, manchmal leiht man sich einen Liter Milch aus oder gibt eine Zwiebel rüber.

Im TV verkörpern Sie Ermittler "Laim". Er hat besondere sexuelle Bedürfnisse, zahlt für seine Frauen.
Im Grunde ist er ein sehr verlorener Typ, der alles dankend annimmt, um noch irgendwas im Leben zu erleben; sei es der Job, Mordfälle aufklären, Alkohol, Sex, schnelle Autos.

Theater, Fernsehen, Kino, Regie – Sie sind viel beschäftigt. Wie fügt sich das Kino ein?
Ich würde das Theater an die einsame Spitze stellen, weil dort die Auseinandersetzungen mit den Menschen und den Stoffen intensiv sind. Es ist den ökonomischen Zwängen nicht so ausgeliefert wie bei Film oder Fernsehen. Ich würde sagen, Theaterschauspieler ist mein Beruf und meine Leidenschaft, da komme ich am meisten auf meine Kosten. Egal, ob Film, Fernsehen, Hörspiel oder Theater, es lohnt sich überall, gründlich zu arbeiten und seinen Arbeitsplatz dahingehend zu verteidigen, dass man den Raum und die Zeit bekommt, gute Arbeit zu leisten. Das sind manchmal Kämpfe, die man als Schauspieler führen muss.

Sind Sie ein Kämpfer?
Für die richtigen Sachen auf jeden Fall. Ich scheue es nie, in den Streit oder Konflikt zu gehen, wenn ich von meiner Haltung überzeugt bin.

Das löst wohl Debatten aus.
Absolut! Und das ist gut. Ich habe Spaß daran und sehe das sportiv. Es ist eine wichtige Lebensaufgabe, zu lernen, "Nein" zu sagen. Man kann auch Spaß daran haben, nicht gemocht zu werden.

Führt es Sie irgendwann auch wieder mal nach Wien, um zu arbeiten?
Aktuell mache ich viele Lesungen. Nächstes Jahr ist das einhundertjährige Kafka-Jubiläum, sein Todesjahr. Ich werde im Musikverein Kafka und im Palais Liechtenstein lesen. Es ist noch nicht spruchreif, aber ich bin Gesprächen mit dem neuen Burgtheater-Direktor.

Sie könnten sich vorstellen, mit Sack und Pack nach Wien zu gehen?
Meine Frau ist aus Tirol und die ÖBB hat eine tolle Verbindung. Das ist auch ein Grund für Wien, der andere ist die Stadt, die Liebe zur Kultur, die hier so verankert ist – das ist sehr besonders.

Sie sind schon lange in diesem Beruf zu Hause. Wird Ihnen das Theater nie fad?
Fad wird es nie – es ist manchmal enttäuschend oder schmerzhaft. Es geht um die Amplituden im Leben und keine auszulassen. Ich würde den Beruf als Ort oder Insel bezeichnen, wo man Konflikte noch austragen und ansprechen kann und wo man den Menschen ins Gesicht zu schauen, ihnen zu begegnen. Eine lebendige Sprache ist der Grundpfeiler einer gesunden Demokratie.