Die Gästeliste ist einmal mehr illuster. Ikonen des Theaterexperiments inklusive: Das feministische Berliner Performancekollektiv She She Pop bringt seine Produktion „Mauern“ nach Graz, und damit ein gemeinsames Stöbern nach Zukünften. In einem Gastspiel der Nibelungenfestspiele Worms unternimmt Autor Marc Peter Tesch den „Versuch, ein Stück über die Nibelungen (nicht) zu schreiben“. Und in ihrem Virtual-Reality-Projekt „Wunderland“ versetzt Regisseurin Kurdwin Ayub die Betrachterin und den Betrachter in die Rolle des Kindes am Rande eines elterlichen Beziehungskonflikts. Der Film ist ein Auftragswerk des Grazer Schauspielhauses. Dessen scheidende Intendantin Iris Laufenberg zeigt ihn nun im Zuge des letzten Dramatiker|innenfestival, das sie gemeinsam mit Edith Draxl von der Drama-Plattform uniT erstellt hat und das den schönen Titel „Ins Offene“ trägt.

Die bis dato geleistete Förderarbeit für zeitgenössische Dramatik sei „fundamental wichtig, man kann nur hoffen, dass das so weitergeht“, sagte Laufenberg denn auch im Hinblick auf eine ungewisse Zukunft. Denn 2024 wird es das Festival zwar auch geben – allerdings als Soloprojekt von uniT. Laufenbergs demnächst antretende Nachfolgerin als Schauspielhaus-Intendantin, Andrea Vilter, hat jüngst die Zusammenarbeit nach bisherigem Muster beendet. Zwar gebe es Signale, das Festival weiter unterstützen zu wollen, „ich weiß aber nicht, was das heißt“, bedauert Edith Draxl: „Unsere überregionale Präsenz und Sichtbarkeit scheint leider egal zu sein.“

Initiierten das Dramatiker:innenfestival: Iris Laufenberg, Edith Draxl
Initiierten das Dramatiker:innenfestival: Iris Laufenberg, Edith Draxl © lex karelly

2024 will uniT das Festival jedenfalls einmal allein durchführen, „dann wird man sehen“, sagt Draxl. „Ein wesentlich schwächeres oder kleineres Festival abzuliefern, hielte ich für falsch. Man muss zumindest halten, was bisher war.“ Das ist allerdings mehr als beachtlich. Nebst zeitgenössischem Autoren-Theaterprogramm bietet das Dramatiker|innenfestival auch Netzwerkformate, Podiumsgespräche sowie Schreib- und Lese-Begegnungen für und mit Dramatikerinnen und Dramatikern.

Die Arbeitspraxis des Schreibens, Inszenierens, Spielens unter die Lupe zu nehmen – zu Themen von der Klimakrise bis zum mehrsprachigen Schreiben – gehört ebenso zu den Assets des Festivals wie die Erprobung unterschiedlichster theatraler Formate. Die demonstrieren nicht zuletzt eine oft überraschende Zugänglichkeit zeitgenössischer Dramatik. Als quasi unverzichtbar haben sich dabei die Drama Walks des Festivals erwiesen. Diesmal sind die zehn für den Retzhofer Dramapreis nominierten Texte (u.a. von Ludwig Bader, Hannah Bründl, Gregor Schenker) in der zum „Haus der Texte“ mutierten Grazer Vorklinik zu erleben: Kurz vor ihrem Abriss werden deren Räume zu dramatischen Stationen. Gleich zwei verschiedene Drama Walks werden dort auch mit Texten für junges Publikum bestritten.

Performance trifft Strickkunst

Darüber hinaus gibt es, nebst der Wiederbegegnung mit Produktionen aus Schauspielhaus („Identitti Rezeptionista", "Fischer Fritz“, „Wunderland“) und TaO! („Erwachsenenbeschimpfung“) noch außergewöhnliche Gastspiele. Etwa die Vereinigung von Performance und Strickkunst in Kirk Dunns „The Knitting Pilgrim“, den Klangcomic „Einsame Ameisen Amnesie“ von Natascha Gangl, Rdeca Raketa und Nikolaos Zachariadis oder das Performance-Solo „Kiki de Pop X Svolikova“.

Und auch eine Uraufführung steht auf dem Programm: „Kids – Eine dramatische Animation am Rande des Milleniums“ von Katharina Jabs und Pedro Martins Beja, befasst sich mit den Lebenswelten von Gastarbeiter-Kindern in den 90er-Jahren und den Spuren, die davon bis heute blieben.