Die Welt ist ein Schlachtfeld, ein Schlachthaus sogar. Folgerichtig entspinnt sich auf der Bühne des Grazer Schauspielhauses die Tragödie von Macbeth in einem kalt ausgeleuchteten Geviert aus abwaschbaren PVC-Lamellen - das ist praktisch, denn das Theaterblut wird in den eindreiviertel Stunden von Stephan Rottkamps Inszenierung kübelweise fließen. Und doch erweist sich, was erst einmal sehr nach Splatter-Oper aussieht, bald als durchaus schlüssig: In der völlig verrohten Gesellschaft, die Rottkamp zeigt, ist das Blutvergießen zwecks Machterwerb oder -erhalt völlig normal, die Mordlust Teil des Alltags.

Zwei Jahre lag dieser „Macbeth“ pandemiehalber im Regal. Und doch spiegelt die Produktion den gegenwärtigen Zustand der Welt, ihre Machträusche und Mordlust fast überdeutlich wider, ohne auf aktuelle Ereignisse Bezug nehmen zu müssen. Das mag auch daran liegen, dass das Werk in der Shakespeare-Bearbeitung von Heiner Müller gezeigt wird; der hat dem „schottischen Stück“ das ursprüngliche Zauberische gründlich ausgetrieben. Vielmehr sieht Müller Macbeths Königsmord und seine viehischen Folgen als logische Folge eines auf Unterdrückung und Ausbeutung gebauten Gesellschafts- und Kreislaufsystems.

Das sorgt auf der Bühne für schaurige Szenen und Bilder, auch wenn die Exposition der Handlung im ersten Drittel reichlich verhuscht gerät. Erst ab der Mordtat fassen Schauspielensemble und Inszenierung Fuß, kann in der Titelrolle Florian Köhler nuanciert und in oft gefährlicher Leisheit die Psychopathologie des Schlächters und die Lächerlichkeit des Despoten ausarbeiten, der sich an seinem übergroßen Königsmantel abzerrt. Sarah Sophia Meyer zeigt fiebrige Gefährlichkeit und Verführungskraft als Lady Macbeth, ihrer Figur ist in dieser Fassung aber kaum Raum für Reue und Gewissensqual gegeben (es sei denn, man ist bereit, ihren finalen Versuch, mit der Scheuersaugmschine die Blutlachen aufzuwischen, als Andeutung derselben zu verstehen).

Im fantastischen Bühnenbild aus Batterien schwebender weißer Quader (Robert Schweer) behaupten sich die weiteren fünf Ensemblemitglieder durchwegs in Mehrfachrollen - Oliver Chomik etwa als Banquo, Nanette Waidmann und Frieder Langenberger in einer gräulich-komischen Attentäterszene, Alexej Lochmann als Macbeths Gegenspieler Macduff und Daria von Loewenich als junger Fleance. Rauschender Applaus für eine blut- und wahnsinnstriefende Inszenierung, die mit der düsteren Verheißung „Mein Tod wird euch die Welt nicht besser machen“ endet. Wie sich Mords- und Machtapparaturen mit immer neuen Protagonisten weiterdrehen, zeigt die Gegenwart gut 400 Jahre nach Shakespeare ja tatsächlich ziemlich deutlich.

Macbeth. Nach William Shakespeare von Heiner Müller. Schauspielhaus Graz. Nächste Vorstellungen: 14., 15., 17., 18., 22., 23. und 29. Juni sowie zum letzten Mal am 1. Juli, jeweils 19.30 Uhr. 31. Mai und 30. Juni: Schulvorstellung, jeweils 10.30 Uhr.
Regie: Stephan Rottkamp Bühne: Robert Schweer Kostüme: Esther Geremus Sounddesign: Nikolas Neecke Licht: Thomas Bernhardt Dramaturgie: Jan Stephan Schmieding Lichtdesign: Thomas Bernhardt
Mit: Florian Köhler, Sarah Sophia Meyer, Alexej Lochmann, Oliver Chomik, Nanette Waidmann, Daria von Loewenich, Frieder Langenberger.
www.schauspielhaus-graz.com