Ein weißer Quader, in Buntlicht getaucht, ein Mann trägt lebensgroße Puppen aus einem angedeuteten Jugendzimmer. Wie Marionetten in Zeitlupe treten zwei Schauspielerinnen auf die Bühne: die eine ein leidendes Kind, die andere eine strafende Mutter. So scheint es eingangs in der Festwochenproduktion „L‘Etang“, der Teich, nach einem Text des monumentalen literarischen Eigenbrötlers Robert Walser. In der seiner Schwester zugeeignet Privatschrift entwarf er die Geschichte eines Kindes, das aus Verzweiflung über die familiäre Kälte, in der es aufwächst, seinen Suizid vortäuscht.

Die Adaption der fabelhaften französischen Choreografin und Puppenkünstlerin Gisèle Vienne eröffnet hier inmitten ominös wabernder Soundscapes nun einen Raum beklemmender Zweideutigkeit, weil das Wahrnehmungsvermögen des Publikums auf eine unheimliche Probe gestellt wird: Frankreichs Filmstar Adéle Haenel („Porträt einer jungen Frau in Flammen“) schlüpft in einem polyfonen Bravourstück an Intensität in alle Kinderrollen zugleich und dialogisiert dabei mit sich selbst, Henrietta Wallberg unterlegt alle Erwachsenenrollen mit einem kalten Hauch von Bedrohlichkeit.

Die choreografierte Verlangsamung jeder Bewegung intensiviert die Beklemmung, Ahnungen von Misshandlung, Inzest, Missbrauch schlingen sich wie Tentakel um Geist und Sinne: Was soll hier sichtbar werden, was unsichtbar bleiben? Eine formvollendete Übung in Unbehaglichkeit.

L'Etang/Der Teich. Jugendstiltheater am Steinhof, Wien, noch am 27. und 28. Mai, www.festwochen.at