Direkt neben der Arena, mitten auf dem Platz standen sie und demonstrierten: lautstark und für staatliche Unterstützung jener 600 Arbeitnehmer – darunter Bühnenarbeiter, Techniker, aber auch künstlerisches Personal –, die diesen Sommer bei den Festspielen nicht benötigt werden. Aber ohne diese hundert Demonstranten wäre die große Piazza Bra im Zentrum von Verona, auf der sich normalerweise Touristenscharen tummeln, ziemlich leer.

Die Ristoranti, in denen man bis weit nach Mitternacht essen kann und wo normalerweise kaum ein freier Tisch zu ergattern ist, sind spärlich besucht. Eigentlich wäre jetzt Hochsaison und der sommerliche Opernbetrieb in der Arena im vollen Gange. Aber dieses Jahr ist alles anders. Zwar zögerte die künstlerische Leiterin, Ex-Sängerin Cecilia Gasdia, noch einige Zeit mit der Absage. Schließlich musste sie wegen der Pandemie das heurige Programm komplett auf 2021 verschieben. Aber ganz kampflos wollte man dem Coronavirus nicht die Arena überlassen. So entstand die Idee, diesen Sommer konzertante Galaabende zu verschiedenen Mottos zu veranstalten - mit Stars von Anna Netrebko bis Placido Domingo.

Natürlich unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen, mit Fiebermessung und Desinfektion am Eingang sowie Tragen von Masken bis zum Sitz. Normalerweise fasst das römische Amphitheater rund 16.000 Zuhörer. Heuer darf nur rund ein Zehntel hinein. Und die Gäste verlieren sich in der riesigen Arena, die fast unheimlich leer wirkt. Zudem dürfen die Zuschauer nicht im Parkett, sondern nur auf den steil aufsteigenden Steinstufen, den sogenannten „Gradinate“ sitzen – und natürlich in gehörigem Abstand. Denn im Parkett ist für das Orchester ein rotes Podium aufgebaut, die Chorsänger sitzen rundum im Oval auf erhöhten Stühlen.

Nach der italienischen Hymne, die von einem kleinen Buben namens Luca dirigiert wurde, hielt zur Eröffnung die große Sopranistin Katia Ricciarelli eine bewegende Rede, in der sie sich beim medizinischen Personal, die alle Ehrengäste waren, bedankte. „Il cuore italiano della musica“ (Das italienische Herz der Musik) nannte sich der erste Galaabend mit unglaublichen 22 italienischen Sängerinnen und Sängern. Jeder sang eine Arie, inklusive Chor, natürlich auch mit dem „Gefangenenchor“ aus Verdis „Nabucco“. Vier Dirigenten boten gut zweieinhalb Stunden lang ohne Pause mit diversen, teils magischen Lichtstimmungen absolute Schmankerln aus italienischen Opern. Sängerische Highlights waren dabei zweifellos Francesco Meli mit einer Arie aus Verdis „Troubadour“, Maria José Siri (Giordano „Andrea Chénier“) sowie Annalisa Stroppa (Rossini „Barbier“). Mit 78 Jahren beeindruckt Leo Nucci immer noch als „Rigoletto“. Und weil es so schön war, sangen zum Schluss alle „’O sole mio!“ – ein optimistisches und kräftiges Lebenszeichen!