Ein Artikel in der Kleinen Zeitung gab Anstoß zu einer Honorardebatte, die nun im Haus styriarte intensiv weitergeführt wird. Auch öffentlich: Wie berichtet, hat das von Mathis Huber geleitete Festival in seinem Online-Blog ein Diskussionsforum zum Thema geöffnet.

Offenbar haben die Coronakrise und ihre finanziellen Folgen atmosphärische Störungen verstärkt und grundsätzliche Probleme offengelegt. Ein latentes ist die Bezahlung. Es gibt ja zwei hartnäckige Klischees über Musikerinnen und Musiker: Sie würden abends ihr Hobby ausüben und tagsüber anderes machen. Dabei ist ihre Arbeit oft Knochenarbeit. Gerade Orchestermusiker müssen die Ausdauer eines Langstreckenläufers mit der Technik des Feinmechanikers kombinieren.

Das andere Extrem: Viele glauben, die Tätigkeit als Orchestermusiker sei gut bezahlt. Aber in Österreich sind nur die Wiener Philharmoniker ausgezeichnet entlohnt, und die zählen zu den drei, vier Top-Orchestern der Welt. Als Musiker der Grazer Oper liegt man eher im unteren Drittel des Spektrums (siehe Kasten).

Während Fixangestellte zuletzt auch dank der Kurzarbeit über die Runden kamen, entfallen solche Sicherheitsnetze bei Freien: Alle sitzen im selben Boot – die freien Musiker aber noch ein Deck tiefer. Dort hangelt man sich oft von einem Auftrag zum nächsten. Das Grazer Orchester recreation, Gegenstand der aktuellen Debatte, besteht aus solchen Musikern, die für Einzelengagements je ein paar Hundert Euro erhalten. Nicht, weil der Veranstalter so knausrig ist, sondern weil in diesem Bereich wenig Geld im Umlauf ist. Aber man hört doch einiges an Missstimmung, zumindest ein Teil des Orchesters findet sich zu wenig wertgeschätzt.


Was für die Grazer Szene gilt, gilt österreichweit: „Wir freien Orchestermusiker sind chronisch unterdotiert, selbst das Doppelte der Gagen wäre noch nicht adäquat“, sagt ein Wiener Instrumentalist. Vor 20 Jahren habe man noch gut leben können, aber es sei seit damals keine Wertanpassung passiert, der Wettbewerb schärfer geworden, der Budgetkuchen allerorten kleiner und die Kuchenstücke damit immer schmäler.

Der Tagsatz von 180 Euro, wie ihn die styriarte an jedes Mitglied des Festspiel-Orchesters zahlt, liegt im bundesweiten Vergleich noch im oberen Segment. Den betreffenden Stundenlohn darf man sich aber nicht ausrechnen, inkludiert man die individuellen Vorbereitungen zu Projekten, die Proben sowie Anreise- und Leerzeiten, Kost und Logis (nicht immer durch Spesen gedeckt). Für die Freien steht der Vorteil, nicht in Systeme gezwängt zu sein, dem Risiko aller Selbstständigen gegenüber, das sich im Zuge von Corona verschärft hat: ohne Musi’ kein Geld.

Der Unterschied zwischen freien und fix angestellten Musikern ist eklatant. Detto jener zwischen „Ober- und Mittelschicht“. Ganz deutlich zeigt sich das bei Sängerinnen und Sängern: Oft kolportierte Sologagen von 50.000 Euro pro Abend aufwärts bei Superstars wie Anna Netrebko, Jonas Kaufmann & Co stehen rund 500 Euro gegenüber für jene, die hierzulande Partien etwa in Bach-Passionen übernehmen – in Deutschland kommt man mit Glück auf das Achtfache. Für die Mitgestaltung von Messen zahlt man Sängern wie Instrumentalisten zwischen 60 und 80 Euro. Für Solisten in Vokalensembles gibt es seriöse Tagsätze bis zu 250 Euro, aber auch Projekte, bei denen man bei masochistischem Stundenlohn von 7,50 Euro selbst den Freundschaftsdienst verweigert.

Und bei Choristen ist die Crux mit den Gagen noch größer: Neben den Chören der Bundes- und Landestheater sind seit der Auflösung des ORF-Chors Wien 1995 professionelle (also professionell honorierte) Chöre an einer halben Hand abzuzählen. In Wien singt man im Philharmonia Chor oder der Hofkapelle bezahlt im Nebengeschäft, detto beim Arnold Schoenberg Chor. Dessen Opernengagements bringen Vokalisten kolportierte Honorare von rund 2000 Euro. Das sei „fair“, erzählt ein Chormitglied, „aber natürlich hat man mit Opernprojekten zwei Monate intensivst zu tun – Heimstudium noch nicht mitgerechnet.“

Der Stundensatz ist auch hier minimal, „aber jeder, der frei beschäftigt singt, weiß, auf welches System er sich einlässt“. So klingt am Ende das alte Lied von der Selbstausbeutung: Viele suchen sich Zusatzjobs, etwa in der Lehre, um weiter ihrer künstlerischen Arbeit nachgehen zu können. „Man wird aber nicht nur in Euro belohnt: Kooperationen mit Dirigenten wie Harnoncourt, Nagano, Abbado, Muti, Rattle, Lyniv, Orozco-Estrada et cetera sind ein Schatz, den nimmt einem keiner mehr.“

„Wer braucht die Kunst?“. Diskussion im styriarte-Blog: styriarte.com/styriarte-blog/