Lebensfreude, Bierseligkeit und heiße Flirts bis hin zur Ekstase - und auf der anderen Seite Verzweiflung, Elend und Er- beziehungsweise Ausnüchterung. Christina Tscharyiski hat "Am Wiesnrand" von Stefanie Sargnagel als kunterbunte Treiben inszeniert, zur Musik des Kollektivs Euroteuro. Auf der Bühne reckt sich ein gigantischer, blasser Bierbauch in die Höhe, mit drahtigen, schwarzen Haaren. Darauf turnen die Schauspieler herum. Schräg, vergnüglich, derb und mit bitterbösem Humor beschreibt Sargnagel die Phasen ihres mehrtägigen Wiesnbesuchs, von der Vorfreude über die Bierseligkeit bis hin zur Ernüchterung.

Dazwischen heiße Flirts, schwindelerregende Fahrgeschäfte und jede Menge Bier. Die schwitzenden Menschenmassen im Zelt, das wunderbare Gefühl der Gemeinschaft, das mit steigendem Alkoholpegel immer schöner wird. Dazu derbe Anbandelversuche und hemmungslose Verbrüderung oder Verschwesterung über alle Grenzen hinweg.

Regisseurin Tscharyiski sieht Großveranstaltungen wie Karneval oder die Wiesn als eine Art Ventil, um Dinge mal abzulassen, unter anderem Gesetzmäßigkeiten des Zusammenseins. "Danach ist das wieder vorbei und man funktioniert wieder in seinen geordneten Bahnen."

Ihr Publikum schickt sie auf eine 90-minütige, sehr unterhaltsame Reise. Gekonnt setzt sie die drei Frauen und fünf Männer auf der Bühne in Szene - mit schlichten Mitteln, aber sehr eindrücklich. Klamaukig wird es nie, denn die Wienerin lässt im klugen Wechsel leise, nachdenkliche Momente und laute, aufwühlende Szenen aufeinanderfolgen.

Dass Tscharyiski ein gutes Gespür für das Stück hat, mag auch daran liegen, dass sie die Autorin gut kennt. So hat sie bereits Sargnagels vielgelobte Produktion "Ja, eh! Beisl, Bier und Bachmannpreis" inszeniert - nominiert für den Österreichischen Musiktheaterpreis und den Nestroy.

Sargnagel macht die Schauspieler in "Am Wiesnrand" zu staunenden Beobachtern, die den Oktoberfestrummel zum ersten Mal erleben. "Die Touristen haben sich dafür als Bayern verkleidet", stellen sie verwundert fest und amüsieren sich köstlich etwa über absurde Hüte, verziert mit riesigen Brathendln, die in die Hände oder vielmehr die Haxen klatschen. Dazwischen immer wieder die Band Euroteuro mit Wiesnschlagern wie "Komm hol das Lasso raus" und - logisch - "Ein Prosit, ein Prosit, der Gemüüüüütliiiiichkeit".

Messerscharf hat Sargnagel, die auch Cartoons zeichnet, all das beobachtet und analysiert. Dabei sei sie meistens nüchtern gewesen, um nicht ihre Beobachtungsgabe einzubüßen, verriet sie der "Süddeutschen Zeitung". "Auf der Wiesn kann man einfach dasitzen und Leute beobachten wie im Kino. Mich berauscht die Eskalation der anderen." Viele dieser kleinen Erlebnisse finden sich in ihrem Stück. "Das war wie eine einzige Slapstick-Show. Ich war in einem angenehmen, daueramüsierten Zustand."