Nur neun Seiten lang ist der Text, einen „Schrumpfkopf“ nannte ihn Heiner Müller. „Die Hamletmaschine“ entstanden 1977, als die Welt noch in Ost und West zerteilt war, erzählt von derStandortbestimmung der Kunst und der Künstler in den politischen Unruhephasen zwischen Stillstand und Aufbruch. Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe „Europamaschine“ am Wiener Burgtheater kleidet nun der kroatische Regisseur Oliver Frljic im Kasino den Text in einem wuchtigen Bildersturm.

„Auf beiden Seiten der Front, zwischen den Fronten, darüber“ verortet sich Hamlet bei Müller. In Zeiten unklarer politischer Frontverläufe, denen im gesellschaftlichen Diskursbetrieb mit Schlagwörtern wie liberaler Mainstream, Konsumismus, Neonationalismus, Ökofaschismus ja auch eher hinterhergehampelt wird, postuliert Frljic nun den bleibenden Anspruch der Künste auf Einflussnahme, Beteiligung, Kommentierung gegenwärtiger gesellschaftlicher Entwicklungen. Auch um den Preis der persönlichen Grenzüberschreitung.

Figuren auf die Bühne zu bringen, die sich den ihnen eingeschriebenen Rollenbildern verweigern und damit die soziale Funktion und Bedeutung der Kunst in Frage stellen, genügt da nicht mehr. Frljic bricht, zerstückelt, klittert den poetischen Text und setzt ihm Bilder auf, in denen er auch ausstellt, welcher Anstrengung und Überwindung er seine Schauspieler auf der Bühne aussetzt: Branko Samarovski muss sich als Ophelia selber meucheln, Annamaria Lang scheinbar mit einem Küchenmesser masturbieren, bis ihr Unterleib in Kunstblut schwimmt, dann schreibt sich damit das Wort Heimat auf den Schenkel. Marta Kizyma und Max Gindorff kauen, würgen und schlucken an papierenen Porträtbildern von Sebastian Kurz, Marcel Heupermann muss sich ein Putin-Porträt in den Hintern schieben und die Vergewaltigung eines Schweinekadavers aus Schaumstoff simulieren. Grausliche Bilder, die darauf beharren, dass man sich „auf beiden Seiten der Front, zwischen den Fronten, darüber“ nur durch permanente Grenzverletzung behaupten kann.