
Man hat Dr. Falke übel zugerichtet. Seit dem bösen Streich, dem ihn Gabriel von Eisenstein gespielt hat, sitzt er im Rollstuhl. Üblicherweise ist bloß eine soziale Blamage, eine tiefe narzisstische Kränkung die Ursache dafür, dass Falke die aufwendige „Rache der Fledermaus“ inszeniert. In der Inszenierung von Maximilian von Mayenburg ist er indes ins Krankenhaus geprügelt worden und will seinem „Freund“ Eisenstein eine ebenso unvergessliche Nacht bereiten. Dazu vergiftet er die gesamte Festgesellschaft bei Prinz Orlofsky und das Premierenpublikum gleich mit – mit als Champagner firmierenden Sprudel im Pausenfoyer.
Dass der Regisseur die Motivlage der Strauß-Operette drastisch zuspitzt, ist eine Fehlfarbe in dieser doch eher heiteren Operete und verschleiert obendrein die spannendere ursprüngliche Gemengelage. Es reicht eben die Demütigung, der Anschlag auf den sozialen Schein und Status, um diese bürgerlichen Seelen zu erschüttern. Es ist eine moralisch verbogene Spießergesellschaft, die nur dort begehrt, wo Masken vorgehalten werden, die ihre Muffigkeit in exzessiven Sauf- und Sexgelagen auslüften muss, um weiter zu funktionieren: Strauß’ musiktheatralisches Feuerwerk ist auch eine der tiefgründigsten Gesellschaftssatiren aller Zeiten.

Ivan Orescanin als Strippenzieher im Rollstuhl ist ebenso präsent wie Markus Butter als Frank und Adi Hirschal als ermattend dahinschwadronierender Frosch, dem die üblichen Pointen versagt sind und der dafür einen Hauch von Werner Schwabs Fäkaliendramen ins Stück einbringen darf. Im vokalen Fokus steht Anna Brull als multinationaler Orlovsky (der Russe spricht katalanisch und seinen Einzug begleitet der „Egyptische Marsch“), dessen „Jeder wie er will“ sie in schönsten Mezzofarben präsentiert.
Sieglinde Feldhofer als vom Künstlerdasein träumendes Kammermädchen Adele lässt die Soubrette weit hinter sich. Elissa Huber als Rosalinde, und Alexander Geller als Eisenstein müssen outrieren, was das Zeug hält und bleiben stimmlich unauffällig, während Albert Memeti dem Alfred seinen schönen lyrischen Tenor leiht.
Ohne großen Finessenreichtum, aber mit solidem Schwung führt Marcus Merkel die Grazer Philharmoniker durch die funkelnde Partitur, während das Ballett bei „Donner und Blitz“ Eindruck hinterlässt. Es ist ein Abend, der einige spannende Ansätze und eine gute Umsetzung bietet, der aus der beliebten Operette jedoch ein rechtes Problemstück macht.
Zwischen 0 Uhr und 6 Uhr ist das Erstellen von Kommentaren nicht möglich.
Danke für Ihr Verständnis.
30.10.2019 um 23:13 Uhr
Modernisieren oje
Immer öfter wünscht man sich in der GrAzer Oper das der Vorhang zu bleibt damit man von den „Modernisierungen“ verschont bleibt. Und/Oder Brillen ab und Augen zu. Das Abo ist nur mehr schwer zu ertragen. Es bleibt nur mehr das Konzertabo - dort gibt es keinen der sich und seine Ideen verwirklichen muss.
20.10.2019 um 22:51 Uhr
Alles,
was in der Oper, bzw. Operette, modernisiert wird, heißt nicht unbedingt, dass es schlecht ist.
Man denke an die heurige Aufführung der Zauberflöte im Römersteinbruch zurück. Ganz, ganz toll.
Ich freue mich schon auf die Fledermaus und werde mir dann selber meine Meinung bilden.
20.10.2019 um 16:35 Uhr
Die Höchststrafe
für einen Sänger ist ihn in den Rollstuhl zu setzen. Die Idee ist nicht neu und auch Konwitschny hat bei seiner „verkauften Braut“ in Graz die Protagonisten am Örtchen singen lassen. Handlungsort und Musik reiben sich da überhaupt nicht. 😆