Eine Königin trauert um Kinder und Ehemann, ein Tyrann will ihr Königreich an sich reißen: Bei der Premiere der Oper "Merope" von Riccardo Broschi konnte das Publikum voll in die Unterhaltungswelt des Barock eintauchen. Als Auftakt für die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik wurde das 1732 in Turin uraufgeführte Werk neuinszeniert. Am Dirigentenpult stand Intendant Alessandro De Marchi selbst.

Das Premierenpublikum zeigte am Mittwochabend sich nach rund fünfeinhalb Stunden von der Wiederentdeckung der Oper des Farinelli-Bruders Riccardo Broschi begeistert. Sänger, Dirigent und Festspielorchester ernteten kräftigen Applaus - wobei sich zu Standing Ovations nur wenige hinreißen ließen. Das Stück zeichnet sich vor allem durch starke Frauenstimmen aus - wie jener von Anna Bonitatibus, die den Part der "Merope" innehatte. Die Mezzosopranistin Vivica Genaux sang mit Bravour die Figur des Trasimede und als besonders ausdrucksstark hervorzuheben ist die Sopranistin Arianna Vendittelli. Für die Rolle der Argia, die sich in herrlich verträumten Arien nach ihrem Geliebten Epitide sehnt, ist sie die ideale Besetzung.

Zum Erfolg der Inszenierung beigetragen haben jedenfalls Kostüme und Bühnenbild. Stephan Dietrich, der sich dafür verantwortlich zeichnet, kreierte pompöse Kostüme, die barocke Schnitte durch auffällige Muster und gekonnte Details in die Gegenwart holten. Das Bühnenbild dagegen kann als zurückhaltender beschrieben werden, wodurch jedoch die glamourösen Kostüme stark zur Geltung kamen. Dem entgegen setzte die Regisseurin des Stücks, Sigrid T'Hooft, auf eine schlichte Choreographie und noble, den Gesang unterstreichende Gesten.

Inhaltlich dreht sich "Merope" um Liebe, Verrat, Machtbesessenheit, Treue, Sehnsucht und Hoffnung - wobei Epitide, der Sohn der Königin Merope, letzteres darstellt. Gesungen vom Countertenor David Hansen brillierte er vor allem in der, ursprünglich für den Kastraten Farinelli geschriebenen Arie, "Chi non sente al mio dolore". Hansen konnte hier seinen großen Stimmumfang und glasklaren Gesang in den ganz hohen Lagen zeigen, wobei er nicht das ganze Stück hindurch überzeugen konnte.

Epitide soll für Merope, deren Ehemann und zwei Kinder auf Befehl von Polifonte ermordet wurden, das Königreich zurückholen und den Thron selbst besteigen. Polifonte hatte ihn an sich gerissen und Merope muss ihn heiraten, sofern der in Ätolien weilende Sohn Epitide nicht zurückkehren sollte. Epitide schleicht sich also unter falschem Namen ins Königreich Messenien in Griechenland ein. Eine Reihe von Verwechslungen und Irrtümern folgen und es sieht kurz so aus, als hätte Merope versehentlich ihren letzten Sohn getötet. Aber die Götter tun das ihre dazu und am Ende muss Polifonte, der Tyrann, büßen.

Weil Jeffrey Francis, der eigentlich den Polifonte singen sollte, erkrankt war, hatte man sich am Innsbrucker Landestheater einen Kunstgriff erlauben müssen: Aus dem Orchestergraben sang Carlo Allemano den Part, auf der Bühne stellte der Schauspieler Daniele Berardi den Tyrannen dar.

In allen drei Akten wurden am Ende Tänze in die Oper integriert, getanzt von Sigrid T'Hoofts Tanzkompanie "Corpo Barocco". Die Musik der Tänze wurde aber nicht von Broschi selbst geschrieben. Auch bei der Uraufführung in Turin wurde das Werk von Tänzen umrahmt. In Innsbruck wurden zwei Ballettmusiken von Jean-Marie Leclair (1697-1764) und eine von Carlo Alessio Rasetti (um 1700 - nach 1764) zum Besten gegeben. Besonders der Tanz nach dem zweiten Akt, in welchem die Tänzer Eber in verspielten Kostümen darstellen, war eine wohltuende Auflockerung zwischen den (Selbst)Mord- und Rachegelüsten Meropes.