Es waren schwarze Nächte in St. Petersburg, das damals noch Leningrad hieß. 871 Tage lang wurde die Stadt von deutschen Truppen eingekesselt und ausgehungert. Als Dmitri Schostakowitsch zu Beginn der Belagerung im September 1941 an seiner 7. Symphonie zu schreiben begann, wusste er noch nicht, dass eine Million Zivilisten sterben sollten. „So
jedenfalls klingt der Krieg in meinen Ohren“, sagte er über sein fiebrig verfasstes Werk, das aber mehr ist als bloß ein klangbebildertes Kriegstagebuch. Seine „Leningrader“, in dunkelster Zeit widerständisch komponiert in hell strahlendem C-Dur, ist quasi ein Äquivalent zu Pablo Picassos Gemälde „Guernica“, ein Aufschrei gegen kriegerische Terrorisierung der Zivilbevölkerung.

Genau das demonstrierte bei den Salzburger Festspielen Teodor Currentzis mit einer ins Mark treffenden Deutung. Seit knapp einem Jahr ist der gebürtige Grieche Chef des SWR Symphonieorchesters, 2016 aus Kostengründen aus zwei Ensembles des Südwestrundfunks fusioniert. Gespart aber wurde für das wirkmächtige Opus 60 von Schostakowitsch an gar nichts, fordert es doch riesige Besetzung (u. a. zwei Harfen und Klavier) und Schwereinsätze von Solisten oder Gruppen. Vom delirischen „Invasionsthema“ samt Marschtrommel im 1. Satz bis zu scheinbaren Flötenidyllen oder Streicherkantilenen im 3. Satz und erst recht beim tosenden Finale kostete der 47-Jährige alle Dynamiken aus.

Currentzis, seit gestern in der mit Spannung erwarteten Inszenierung von Mozarts „Idomeneo“ im Einsatz, riss seine Instrumentalisten zwischendurch sogar von den Sitzen – symbolischer Aufstand in diesem Friedensschrei, den abgemagerte Musiker 1942 bei der Uraufführung dem Feind via Lautsprecher entgegengeschleudert hatten. Wie zuvor schon daheim in Stuttgart, in Freiburg oder Hamburg, durften auch die Zuhörer im Großem Festspielhaus das Gefühl haben: Das war Kulturereignis und Naturereignis in einem.