"Fuor del mar“ heißt die Arie des Idomeneo, in der Mozart im Orchester die Naturgewalt des Ozeans zu entfesseln scheint. Die gleichnamige Oper um einen Blutzoll fordernden Meeresgott und eine tragische Familiengeschichte ist heute Abend die erste große Festspiel-Premiere, das Dream-Team besteht aus Regisseur Peter Sellars und Dirigent Teodor Currentzis.

Dass Sellars mithilfe der Oper das sehr aktuelle Problem des Klimawandels reflektiert, ist eine Folge der neuen Programmpolitik. Seit Markus Hinterhäuser die Leitung der Festspiele übernommen hat, ist das Musiktheater wieder ein Anlass, über die Gegenwart nachzudenken. Vorbei jedenfalls die Jahre, in denen etwa Mozarts Opern in Salzburg nicht einmal mehr auf der rein kulinarischen Ebene funktioniert haben.

Mit Hinterhäuser positionieren sich die Salzburger Festspiele wieder als ein Weltzentrum der Kunst, dessen Attraktivität sich nicht in stargespickten Produktionen erschöpft. Salzburg will wieder etwas anderes sein. Damit kommt man dem Geist der Festspielgründer vor 99 Jahren letztlich viel näher als jene Zeiten, als Jetset-Starglanz und Musikindustrie den Ton angegeben haben.

Die Arbeitsweise von Peter Sellars, der heute die Festspielrede zur Eröffnung halten wird (live übertragen von ORF 2 ab 11 Uhr), ist typisch für eine künstlerische Haltung, die den Festspielen knapp vor ihrem Jubiläumsjahr 2020 gut ansteht. Simon Stone, der Regisseur der zweiten Opernproduktion, die ab Dienstag zu sehen ist, bezeichnete Luigi Cherubinis „Medeé“ vorab als das „älteste Immigrantendrama der Welt“. Die Hauptfigur Medea bitte um Asyl, aber es werde ihr verweigert.

Dass die Festspiele direkt politisch Stellung beziehen, hat Markus Hinterhäuser immer abgelehnt. Dafür sei man nicht zuständig. Aber wer, so darf man ergänzen, sich mit der Gegenwart beschäftigt, wird sie zwangsläufig auch in alten, klassischen Werken auffinden. Opern, Schauspiel und Konzerte, die Zahl der bis zum 31. August angebotenen Veranstaltungen ist wie immer eindrucksvoll.

237.000 Karten sind aufgelegt worden. Sieben szenische Musiktheaterproduktionen (inklusive zweier Wiederaufnahmen), vier Mal neues Sprechtheater und dazu der unverwüstliche „Jedermann“.Wiener und Berliner Philharmoniker, Schwerpunkte für zeitgenössische Musik und, und, und. Dass Hinterhäuser zwischen diesem Riesenangebot den von ihm eingeschlagenen Kurs beibehält, davon darf man ausgehen. Zeit, Dinge zu entwickeln, hat er: Er wird mindestens bis 2026 in seinem Intendanten-Amt bleiben.